"Reichensteuer" "Für den Standort ist das ein Nachteil"

Was für wirtschaftliche Auswirkungen hätte die von der SPD propagierte "Reichensteuer"? Was nützt die angepeilte Reform der Unternehmensteuer mittelständischen Betrieben? stern.de befragt den DIW-Experten Stefan Bach.

Die SPD will Ledige, die mehr als 250.000 Euro im Jahr verdienen, und Verheiratete, die mehr als 500.000 Euro im Jahr verdienen, mit einem Steuerzuschlag von drei Prozentpunkten belasten. Die SPD will so mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich in die Staatskasse bringen. Würde die "Reichensteuer" wirklich eine Entlastung des Haushalts bedeuten?

Die zusätzlichen Steuer-Einnahmen würden mit ein bis 1,5 Milliarden Euro eher gering ausfallen. Zwar ist das besser als nichts. Aber angesichts der erheblichen Nebenwirkungen, die eine "Reichensteuer" politisch wie wirtschaftlich zur Folge hätte, steht das in keinem Verhältnis. Letztlich handelt es sich hierbei um symbolische Politik.

Von was für Nebenwirkungen sprechen Sie?

Mit dem Steuersenkungsgesetz 2000, das den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 53 auf 42 Prozent senkte, hat Rot-Grün doch erhebliche Erwartungen geweckt. Das würde jetzt plötzlich wieder rückgängig gemacht. Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück, wie bei der Echternacher Springprozession, das ist politisch wenig überzeugend. Auch bei der Körperschaftsteuer war Rot-Grün schon einen Schritt weiter vor gegangen, als die Koalition den Satz von 25 auf 19 Prozent senken wollte.

Könnte die "Reichensteuer" schädlich sein?

Ein Problem bei der "Reichensteuer" ist, dass sie in der globalisierten Wirtschaft abgewälzt werden wird. Wenn etwa ein Fußballspieler einen Vertrag macht, der ihm so und so viel Millionen Euro Nettoeinkommen verspricht, dann geht es um Nettobeträge. Der Verein muss darüber hinaus die Steuern bezahlen - auch die Reichensteuer. Unter Umständen wird dann der Pförtner des Vereins entlassen, so dass der Arbeitgeber die zusätzliche Steuerlast tragen kann. Das haben wir inzwischen auch auf anderen internationalisierten Arbeitsmärkten für Fachkräfte. Zum Beispiel Investmentbanker, die arbeiten mal in London, Frankfurt oder New York, da geht das dann genauso.

Die SPD will Unternehmen künftig "rechsformunabhängig" besteuern - Personengesellschaften sollen nach und nach genauso besteuert werden wie Kapitalgesellschaften. Können Sie das ins Deutsche übersetzen?

Das bedeutet, dass jedes Unternehmen unabhängig von seiner Rechtsform grundsätzlich die gleichen steuerpolitischen Rahmenbedingungen vorfindet. Die Unternehmensbesteuerung ist superkompliziert. Aber auch den SPD-Linken ist mittlerweile klar, dass hier etwas für die Unternehmen getan werden muss. Die Idee ist, dass ein Unternehmen, das Gewinne wieder investiert, entlastet wird, wenn es sie ausschüttet, dann muss nachversteuert werden. Auf dem Papier werden die Unternehmen entlastet und deshalb kann man bei der Besteuerung der Reichen etwas draufsetzen.

Zur Person

Stefan Bach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Seinen Arbeitsschwerpunkt hat er auf die Finanz- und Steuerpolitik gelegt. Das DIW ist das größte Wirtschaftsforschungsinstitut in Deutschland.

Was für Vorteile hätte das konkret für mittelständische Firmen?

Als Mittelständler zahle ich bisher Einkommensteuer. Geht es nach der SPD, muss ich mich künftig wie eine Kapitalgesellschaft besteuern lassen. Sinkt der Körperschaftsteuersatz, komme ich so möglicherweise günstiger weg, als wenn ich Einkommensteuer bezahlen müsste. Die Entwicklung hin zu so einer Praxis kann man international schon lange beobachten. Kleine Unternehmen - Personengesellschaften - haben in vielen Ländern die Option, sich wie eine Kapitalgesellschaft behandeln zu lassen. In den USA können sich sogar Kapitalgesellschaften wie Personengesellschaften behandeln lassen. Nachteil: Man muss eine Zollgrenze zwischen dem Unternehmer als Privatperson und seinem Unternehmen aufbauen und den Geldverkehr über diese Grenze kontrollieren. Das ist ein Beschäftigungsprogramm für Finanzbeamte und Steuerberater.

Welche Vorteile hätte diese Kombination aus Reichensteuer und Reform der Unternehmensteuer denn für die Konjunktur?

Für die Konjunktur würde ich keine besonderen Wirkungen erwarten. Für die psychologische Befindlichkeit wäre so eine Reform eher schlecht. Deutschland hat bei der Besteuerung Fortschritte gemacht und bei der Agenda 2010 auch die Reform des Arbeitsmarkts und der Sozialsysteme angepackt. So kommt es jedenfalls international an. Wenn die SPD nun faktisch davon abgeht, dann ist das Balsam auf die wunde Seele der Partei und für den Wahlkampf wichtig - für den Standort ist das aber eher von Nachteil.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Union will die Mehrwertsteuer wohl erhöhen - ein Aufschlag um bis zu vier Prozentpunkten erscheint denkbar. SPD, Grüne und FDP sind dagegen. Was für einen volkswirtschaftlichen Nutzen hätte eine Mehrwertsteuer-Erhöhung?

Sinnvoll ist: Sozialabgaben runter, Mehrwertsteuer hoch. Durch die geringeren Sozialabgaben würden die Kosten von Arbeitseinkommen sinken, auch der Arbeitgeberbeitrag fiele. Das ist beschäftigungsfördernd, auch wenn es über die Mehrwertsteuer gegenfinanziert wird - die zahlen auch Leute, die bisher nichts zur Finanzierung der Sozialversicherungssysteme beitragen: Unternehmer, Beamte, Rentner, Pensionäre. Eine Mehrwertsteuererhöhung führt natürlich für sich genommen zu sinkendem Konsum und sinkenden Unternehmensgewinnen in Handel, Handwerk und persönlichen Dienstleistungen. Das hätte rezessive Wirkungen. Mit Entlastungen bei den Sozialabgaben hätte die Reform jedoch positive Auswirkungen auf die Beschäftigung.

Halten Sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer für sinnvoll?

Ja. Wenn wir die maroden sozialen Sicherungssysteme reformieren und die Leistungen für Arbeitslose, Rentner und Kranke nicht zusammen streichen wollen, müssen wir stärker umfinanzieren. Die soziale Sicherung muss stärker steuerfinanziert werden. Das ist der Trend, der international beobachtbar ist. Der Staat muss sich stärker auf die Grundsicherung beschränken. Wenn man das über Steuern finanzieren will, dann bleibt nur eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die bessere soziale Sicherung - ergänzende Alterssicherung, bessere Gesundheitsversorgung - muss eben den Privaten überlassen werden.

Interview: Florian Güßgen

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