Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel hat geschafft, was seinen Vorgängern nicht gelang. Für die Fusion der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und der Weiterbildungsagentur InWEnt zur neugegründeten Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) findet selbst die Opposition anerkennende Worte. Die Kleinteiligkeit der deutschen Entwicklungshilfeorganisationen wurde in der Vergangenheit häufig von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert: Die einheitliche Struktur fehlte, und im Ausland wusste keiner so recht, an wen er sich wenden sollte.
Ob es DIE Deutsche Entwicklungshilfe in Zukunft geben wird, ist dennoch unklar. Dirk Niebel mag das Wort Entwicklungshilfe nämlich nicht. Es suggeriere, "dass einer gibt und ein anderer nimmt. Das passt nicht in eine globalisierte Welt. In einer globalen Welt ist die Zusammenarbeit von Vorteil für beide Beteiligten", so Niebel im Gespräch mit stern.de.
Stallgeruch statt Fachkompetenz?
Seine Ernennung zum Minister im Oktober 2009 hatte große Verwunderung ausgelöst, schließlich hatte der ehemalige Fallschirmjäger von der Oppositionsbank noch die Abschaffung des Ministeriums gefordert. Nach dem Amtsantritt holte Niebel das Ministerium dann "aus der Kuschelecke", unter anderem indem er das Personal neu aufstellte. Mitarbeiter im "selbst gestrickten Alpaka-Pullover" (Niebel) mussten Parteifreunden weichen: Die FDP-Energieexpertin Gudrun Kopp machte er zu seiner parlamentarischen Geschäftsführerin, Hans-Jürgen Beerfeltz, langjähriger Bundesgeschäftsführer der FDP, bekam den Posten des Staatssekretärs, und Werner Bruns, ehemaliges Mitglied der FDP-Grundsatzkommission, ist nun Abteilungsleiter.
Rund zehn Mitarbeiter soll Niebel aus den eigenen Reihen ins Ministerium geholt haben, echte Fachkompetenz sucht man allerdings vergeblich. Auf Niebels offizieller Internetseite findet man wenig über seine eigene Erfahrung im Bereich dessen, was andere Entwicklungshilfe nennen, dafür aber den Link zur Homepage seines Golden Retrievers "Hermann", der auf dem Foto Herrchens berühmte Mütze und Sonnenbrille trägt.
Sieben Männer, keine Frau
Auch die Besetzung des neuen Vorstands der GIZ stößt auf Kritik. Obwohl der Haushaltsausschuss des Bundes fünf Vorstandsmitglieder für die neugegründete GmbH beschlossen hatte, sitzen nun sieben Männer an deren Spitze. Unter ihnen Tom Pätz, der für Niebel die Fusion der Organisationen vorbereitet hatte, selbstverständlich auch ein FDP-Mitglied. Dass keine Frau berufen wurde, ist besondere Ironie, setzt sich die deutsche Entwicklungspolitik doch für mehr geschlechtliche Gleichstellung in ihren Partnerländern ein.
Für Empörung sorgte die Ernennung eines ehemaligen Kommandeurs eines Bundeswehr-Panzerbatallions zum Leiter der Abteilung für Europäische und multilaterale Entwicklungspolitik. Friedel Eggelmeyer war in der Vergangenheit wegen seiner Nähe zum Afrikakorps der Wehrmacht in die Kritik geraten. Der von Eggelmeyer gegründete "Freundeskreis Panzerbataillon 33 Neustadt" verwendet bis heute ein Vereinssymbol, das dem Wappen eines Panzerregiments des Afrikakorps entlehnt ist. Eggelmeyer, der die FDP zwölf Jahre lang in Sicherheitsfragen beraten hat, war es auch, der Niebel das Abzeichen zum Hauptmann der Reserve ansteckte.
Verstörende Nähe zum Militärischen
Niebels Hang zum Militärischen ist mittlerweile geradezu ein Markenzeichen geworden. Bei Auslandsaufenthalten trägt der 48-Jährige stets seine Fallschirmjägerkappe, die er nach eigenen Angaben noch nie gewaschen hat. Im Juni traf die GIZ mit dem Verteidigungsministerium eine Übereinkunft, nach der sich Entwicklungshelfer und Soldaten im Einsatzland zukünftig "ganz konkret unterstützen" sollen. Hilfsorganisationen fürchten nun um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter in Krisengebieten, sollte deren Distanz zum Militär nicht deutlich werden.
Niebel will davon nichts wissen, im Gegenteil: Die Förderung von Hilfsorganisationen in Nordafghanistan durch das BMZ soll an deren Kooperationsbereitschaft geknüpft werden, denn "wenn einige Nichtregierungsorganisationen eine besondere Bundeswehrferne pflegen wollen, müssen sie sich andere Geldgeber suchen", findet der frühere FDP-Generalsekretär.
Auf Nachfrage von stern.de wurde er noch konkreter: "Jemand der Spenden sammelt, kann damit natürlich tun und lassen, was er will. Jemand der in Nordafghanistan Steuergelder einsetzen möchte, muss die Prozesse mit den anderen öffentlichen Akteuren, also der Bundeswehr, der Polizei, dem Innen-, Außen- und Verteidigungsministerium und anderen staatlichen Durchführern abstimmen. Es besteht weiterhin das Grundprinzip der Freiwilligkeit der Antragsstellung. Niemand ist gezwungen unsere Mittel in Anspruch zu nehmen."
Subventionen für deutsche Firmen
Ganz auf Parteilinie ist Niebel, der als Schüler CDU-Mitglied war, bevor er 1990 zur FDP wechselte, wenn er sagt: "Nachhaltige Entwicklung kann nur die Wirtschaft schaffen." Für Niebel ist es zu einer Hauptaufgabe geworden, private Unternehmen in die Entwicklungshilfe einzubeziehen. Dass er dabei deutsche Firmen mit Geldern aus dem Budget des Ministeriums subventioniert, findet er völlig in Ordnung. Es sei schließlich kein Nachteil, wenn aus der Hilfe für andere Länder auch Vorteile für die deutsche Wirtschaft entstünden.
"Aber ist es noch Entwicklungspolitik, wenn man Unternehmen bezuschusst, die ohnehin investiert hätten?", fragt die "Zeit" und benennt Beispiele für Niebels Subventionen. So soll Siemens den Auftrag für den Bau einer U-Bahn in Vietnam bekommen haben, obwohl Konkurrenten ein günstigeres Angebot vorgelegt hätten. Den Zuschlag erhielt das deutsche Unternehmen erst, als Deutschland zusagte, den vietnamesischen Auftraggebern den Differenzbetrag von 86 Millionen Euro zuzuschießen.
"Ist das noch journalistische Recherche oder ist das eine Meinung die man verbreitet?", fragt der verärgerte Niebel und erklärt, dass die Gelder für die unmittelbare Kooperation mit der deutschen Wirtschaft nur ein Prozent des Etats des BMZ ausmachten: 60 Millionen Euro. Für die Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft in den Partnerländern seien es fast 700 Millionen Euro, also rund 10 Prozent des Gesamtetats. "Das BMZ fördert nicht die U-Bahn in Ho-Chi-Minh-Stadt, sondern das Bundesministerium für Wirtschaft und Technik. Das BMZ fördert die Qualifizierung von Personal, das irgendwann in der U-Bahn arbeiten wird. Übrigens wurde das Projekt von meinen Amtsvorgängern vereinbart, nicht von mir."
Tanzt Niebel nur eine Legislaturperiode?
Die aktuelle Krise der FDP - nach aktuellen Umfragen würden nur noch zwei Prozent der Wähler den Freidemokraten ihre Stimme geben - legt die Vermutung nahe, dass Niebels Tage als Bundesentwicklungsminister bereits nach einer Legislaturperiode gezählt sind. Der Minister selbst sieht das anders: "Die FDP wird dem nächsten Deutschen Bundestag angehören. Ich gehe sogar davon aus, dass wir in der nächsten Bundesregierung sein werden." Wie nachhaltig seine politischen und personellen Reformen im BMZ sein werden, wird sich also frühestens nach der Wahl 2013 zeigen. Und auch inwieweit sich das Ansehen deutscher Entwicklungspolitik im Ausland verändert hat.