Aussteigerin Freia Lippold-Eggen warnt vor der AfD: "Die Nazis in der Partei stören die Leute nicht mehr"

Vor drei Tagen war Freia Lippold-Eggen noch AfD-Mitglied, jetzt rechnet sie mit ihren ehemaligen Parteikollegen ab. Sie warnt vor den Rechtsradikalen in der Partei.

Frau Lippold-Eggen, Sie waren seit 2017 AfD-Mitglied, haben in Bad Kissingen als Stadträtin für die AfD Politik gemacht. Warum sind Sie jetzt aus der Partei ausgetreten? 
Der ausschlaggebende Punkt war, dass wir in unserem Kreisverband von der gesichert rechtsradikalen Jungen Alternativen (JA) unterwandert und dadurch als Kreisverband entmachtet wurden. Das Ziel war wohl, möglichst in allen Wahlkreisen einen ihrer radikalen Kandidaten zur bayrischen Landtagswahl aufstellen zu lassen.  

Warum sind Sie erst jetzt aus der AfD ausgetreten? Björn Höcke zum Beispiel gilt seit langer Zeit als gesichert rechtsextrem, man darf ihn einen Faschisten nennen.
Ich bin damals aus Kritik an der Euro-Politik unter Angela Merkel in die Partei eingetreten. Und ich bin in der Partei geblieben, weil ich dachte, dieser Rechtsextremismus ist weit weg von uns, hier in Bad Kissingen. Aber wir haben diese Unterwanderung jetzt hautnah erlebt. Es ist eben nicht mehr weit weg. Ein ausschlaggebender Punkt war für mich auch, dass Björn Höcke bei einer Veranstaltung im Frühjahr in Erfurt auf der Bühne gesagt hat, dass er sich nach wie vor zur rechtsradikalen Jungen Alternativen bekennt. Da war für mich klar, dass er nicht missverstanden wird, sondern tatsächlich rechtsradikal ist.  

Ist Ihnen das in Ihrem Kreisverband nie aufgefallen?
Die Kommunen waren für die AfD lange nicht besonders interessant. Da ist nicht viel zu holen, nicht finanziell, und auch nicht viel Ruhm und Ehre. Da muss gearbeitet werden. Deswegen haben die hohen Partei-Funktionäre uns auf lokaler Ebene lange machen lassen. Das ändert sich jetzt.  

Mit den anstehenden Landtagswahlen in Bayern.
Ja, jetzt will der Landesverband mitmischen, um die Leute ins Parlament zu bringen, die die richtige Linie vertreten. Das ist seit dem letzten Herbst die Strategie, und die wird mit radikalen Mitteln verfolgt. Auf kommunaler Ebene fehlte es besonders den Rechtsradikalen an Personal, deswegen gab es da so wenig Aktivität. Aber jetzt breiten sie sich weiter aus. Das ist neu.  

Und das gelingt ihnen?
Es ist heutzutage für rechte Parteien viel, viel leichter, auch in Städten und Gemeinden. Je unzufriedener die Menschen sind, umso mehr Zuspruch erfährt die AfD.  

Woran haben Sie das gemerkt, als Sie noch in der Partei waren?
2018 wurden wir noch von jedem Zweiten als Nazi beschimpft. Da war es wirklich schwierig, Wahlkampf zu machen. Heute, wo es wirklich Nazis in der Partei gibt, scheint das viele nicht mehr zu stören. Die Leute klopfen einem auf die Schulter und sagen: "Oh, es ist toll, dass ihr da seid!" Aber wir sind nicht mehr dieselben. Neulich habe ich darauf geantwortet: "Es tut mir leid, dass du jetzt radikale Lösungen haben willst, aber ich werde mich für dich nicht radikalisieren."  

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die AfD verspricht einfache Lösungen für diese Unzufriedenheit.
Mir sind keine Lösungen bekannt. Das hat man zuletzt auf dem EU-Parteitag gesehen. Da geht es um Posten, Geld und Macht, um nichts anderes.  

Der Vorsitzende des AfD-Bezirksverbandes Unterfranken, Richard Graupner, wirft Ihnen eine Schmutzkampagne vor. Was sagen Sie dazu?
Richard Graupner behauptet, ich sei frustriert, weil ich mich für einen anderen Wahlkreis für die Landtagswahl aufstellen lassen wollte. Das stimmt so nicht. Ich habe mich vom rechtsradikalen Flügel bedroht gefühlt und bin deswegen doch nicht zur Wahl angetreten.

Kennen Sie andere Parteimitglieder, die auch überlegen auszutreten?  
Das erwägen viele, aber zwischen Reden und Tun hat der liebe Gott eben Grenzen gesetzt. Für mich ist klar: Wer schweigt, stimmt zu.