Die Kreisverbände der rechtspopulistischen AfD haben freie Hand, was Wahlwerbung angeht. So kommt es immer wieder zu provokanten Plakaten, die sich rasend schnell im Netz verbreiten - und so verstörend sind, dass man sie vereinzelt sogar für Satire hält.
Aktuell irritiert ein virtuelles Wahlplakat der AfD Nürnberg Süd/Schwabach. Der Kreisverband bediente sich eines Zitates aus einem Flugblatt der "Weißen Rose", die den Nationalsozialisten Widerstand boten. "Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique 'regieren' zu lassen", steht da - und darunter: "Sophie Scholl würde AfD wählen". Die Bildmontage ging am vergangenen Wochenende online; der AfD-Kreisverband stellte sie auf seine Facebook-Seite. Wer nicht überzeugt war, es mit einem Scherz zu tun zu haben, reagierte empört: Wie könnte man mit Scholl, die vom Hitler-Regime ermordet und dann zum Symbol für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus geworden war, für Rechtspopulismus werben?
Kritik gab es dafür auch aus den eigenen Reihen der AfD; die AfD Nürnberg distanzierte sich sofort mit einem offiziellen Statement; man habe mit der Facebookseite der AfD Nürnberg-Süd/Schwabach "nichts zu tun"; das Plakat werde man juristisch prüfen lassen. Die Verantwortlichen reagieren derweil gelassen; schreiben: "Zweifelsohne, unser Post ist provokativ. Ist dies im politischen Streit wirklich so ungewöhnlich?" Die Bildmontage steht weiter prominent platziert auf der Facebookseite.
Die AfD kontrolliert nicht, was veröffentlicht wird

Auf Kreisebene arbeite die AfD nicht mit Werbeagenturen, erklärt AfD-Sprecher Andreas Zöllner im Gespräch mit dem stern, außerdem gehe freilich nicht jedes Posting oder selbst kreierte Plakat auch an der Bundes-AfD vorbei. Was auf den virtuellen Plakaten der AfD-Kreisverbände steht, wird demnach von niemandem geprüft und auch nicht erst von der Bundes-AfD abgenommen oder freigegeben. "Das machen und entscheiden die Kreisverbände selbst", sagt Zöllner, "das alles vor der Freigabe zu prüfen, wäre ein zu großer Arbeitsaufwand, dazu haben wir gar nicht die Ressourcen."
Das führt nicht nur dazu, dass die selbst gebastelten Plakate häufig schon formal voller Fehler sind, sondern es führt auch zu skurrilen Inhalten. Zum Teil ist für Außenstehende ohne längere Recherche kaum zu beurteilen, ob es sich bei einer neuen Montage nun um Satire oder tatsächlich um ein ernst gemeintes Werk eines Parteimitglieds handelt. "Grundsätzlich sind die AfD-Kreisverbände selbst geschlossene Verbände mit eigener Öffentlichkeitsarbeit", sagt der Sprecher der Partei, "da muss die AfD auf Bundesebene nicht dahinterstehen." Mit Blick auf den jüngsten Fauxpas mit Sophie Scholl räumt er ein: "Das wäre sicher nicht verkehrt gewesen, da noch einmal drüberzugucken."
Es sei nicht schwierig, so ein Plakat selbst zu machen: "Es gibt ein einheitliches Design, zwei Farben, ein Bild und das Parteilogo; wer die Vorlagen kennt, kann da auch selbst was draus basteln", sagt Zöllner, "jeder, der sich ein bisschen mit InDesign oder Photoshop auskennt". Auf die Frage, ob es in diesem Fall nicht sinnvoll wäre, Richtlinien auch für die Inhalte der Plakate festzulegen, sagt er: "Wenn da jemand mit rhetorischen Mitteln und fragwürdigen Vergleichen ankommt, nützen Richtlinien auch nicht viel. Das kann man sich ja alles selbst gar nicht ausdenken", das sei dann schon in er Öffentlichkeit, bevor man parteiintern noch einmal drüber sprechen konnte. "Da waren ja nun auch schon einige Skurrilitäten zu finden - ob von der AfD oder von außerhalb", sagt er.
"Sitting Bull würde AfD wählen!"
Das zeigen auch weitere Beispiele aus dem Fundus. So wurde erst vor Kurzem auch der wohl berühmteste Indianer der Geschichte zwangsweise zur Werbefigur für die Rechtspopulisten. Die AfD Saalkreis postete eine Bildmontage mit dem Stammeshäuptling Sitting Bull und dem Schriftzug: "Gegen grenzenlose Zuwanderung! Sitting Bull würde AfD wählen!" Die wirre Erläuterung der AfD Saalkreis dazu: "Heute wohnen die Ureinwohner von Amerika, die Indianer, in Reservaten. Bei einer weiteren unkontrollierten Masseneinwanderung würde in Deutschland ein ähnliches Szenario eintreten!"
Doch auch auf Landes- und Bundesebene ist Wahlwerbung für die AfD verstörend. Mal steht auf dem Plakaten am Straßenrand Sexistisches wie "Für die Aufwertung des Berufs 'Mutter'" oder "Mehr Sicherheit für unsere Frauen und Töchter!", das sich ausschließlich an heterosexuelle männliche Wähler richtet. Mal wirbt die AfD fremdenfeindlich mit "Politik für das eigene Volk!", "Schwarz, Rot, Gold ist Bunt genug!" oder "Ein Staat, der seine Grenzen nicht sichert, ist keiner mehr!"
Keine Werbeagentur wollte Aufträge von der AfD
Für den jüngsten Wahlkampf, den vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin im vergangenen September, fand die AfD in Deutschland keine Werbeagentur, die ihre Aufträge annehmen wollte. Das bestätigte Zöllner dem stern. Dem "Spiegel" hatte der Berliner Landeschef der AfD, Georg Padzerski, im Sommer dazu gesagt: "Wir hatten erhebliche Schwierigkeiten, eine Werbeagentur in Deutschland zu bekommen". Demnach hatten die angefragten deutschen Agenturen seiner Meinung nach Sorge, durch einen Auftrag für die AfD andere Kunden zu verprellen.
Letztendlich habe die Partei ihr Werbekonzept dann von einer Agentur "aus dem deutschsprachigen Ausland" entwickeln lassen. Das Ergebnis waren unter anderem fragwürdige Plakate wie das, auf dem ein schwules Paar die angebliche Homophobie von Muslimen anprangert: "Mein Partner und ich legen keinen Wert auf die Bekanntschaft mit muslimischen Einwanderern, für die unsere Liebe eine Todsünde ist", steht dann da, daneben zwei Männer - Homosexuelle gegen den Islam. Oder auch das Plakat mit dem Drogenkonsumenten, der sich über die Sozialhilfe für seinen Dealer beklagt: "Mein marokkanischer Dealer kriegt sein Leben komplett vom Staat finanziert. Irgendwas ist in Deutschland oberfaul und deshalb wähle ich die Alternative", das ist der Text neben dem Foto von einem jungen Hipster mit auffälligem Bart und der eigenwilligen Kombination aus kurzärmligem T-Shirt und Wollmütze.
Auch in diesem Jahr will die AfD wieder mit einer Werbeagentur zusammenarbeiten, sagt der Parteisprecher, wahrscheinlich werde man sich auch in Deutschland wieder über Angebote informieren. Welche Agenturen angefragt werden sollen, ist noch nicht bekannt.
Update: Das Plakat mit Sophie Scholl als Werbefigur wurde inzwischen vom Landgericht Berlin verboten - weil der ursprüngliche Fotograf des Bildes von Scholl seine Urheberrechte geltend gemacht hat.