Heftige Diskussionen Von "Man redet nicht mit Nazis" bis "Danke für die überfällige Debatte" – die Reaktionen auf das Weidel-Cover des stern

Das Cover des neuen stern mit Alice Weidel: "Was können Sie eigentlich außer Hass, Frau Weidel?"
Das Cover des neuen stern stellt der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel die Frage: "Was können Sie eigentlich außer Hass, Frau Weidel?"
© stern
Darf man das? Oder sollte man das sogar? Am aktuellen stern-Cover mit Alice Weidel scheiden sich die Geister. Die Redaktion erreichten Tausende Rückmeldungen. Eine erste Auswahl.

Deutschland diskutiert über das Titelbild des aktuellen stern, der ab diesem Donnerstag am Kiosk erhältlich ist (oder hier bestellbar, auch als E-Paper). Es zeigt die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel und stellt dazu die Frage: "Was können Sie eigentlich außer Hass, Frau Weidel", wobei "Hass" in Frakturschrift gesetzt ist.

Per E-Mail, per Post, über die sozialen Netzwerke: Die stern-Redaktion erreichten schon vor dem Verkaufsstart des gedruckten Magazins Tausende Reaktionen auf das Cover und das Interview mit der AfD-Politikerin, das sie hier bei stern PLUS bereits lesen können. Darf man das so machen? Sollte man es vielleicht sogar so machen? Die Meinungen gehen weit auseinander.

stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz meint in seinem aktuellen Editorial: "Es gehört zur Aufgabe von Journalisten, mit allen Menschen zu sprechen, die in unserer Demokratie an die Macht wollen. Wir müssen für unsere Leserschaft herausfinden, mit welchen Menschen wir es zu tun haben, was sie mit der Macht anstellen möchten." Und Schmitz sagt: "Jedes Gespräch muss auch thematisieren, was auf unserem Titelbild in Frakturschrift steht: Hass."

stern-Hauptstadtjournalist Jan Rosenkranz, der mit Politik-Ressortleiter Veit Medick das Weidel-Interview geführt hat, erklärte: "Wir glauben, dass die AfD gerade ein absolut wichtiges und nicht mehr zu ignorierendes politisches Phänomen ist." Mit Blick auf die aktuellen Umfragewerte sagte Rosenkranz: "Man sollte sie nicht behandeln wie jede normale Partei, aber man kann sie auch nicht länger ignorieren als politischen Faktor."

Medick berichtete von einem mitunter "schwierigen Gespräch" mit der AfD-Politikerin. "Es war interessant zu sehen, dass sie in so einem Gespräch versucht, möglichst bürgerlich zu wirken", was ihr bis zu einem gewissen Punkt auch gelinge. "Und dann kippt es eben wieder und man bekommt einen ganz anderen Eindruck und man hört bei einem freundlichen Lächeln das sehr Problematische, Ungeheuerliche teilweise aus ihrem Mund purzeln."

Das vollständige Video mit den stern-Journalisten Jan Rosenkranz und Veit Medick sehen Sie hier:

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Veit Medick und Jan Rosenkranz mit Alice Weidel
Veit Medick und Jan Rosenkranz mit Alice Weidel
© Gene Clover / stern
"Alice Weidel ist wie aufgedreht": stern-Journalisten über das Interview mit der AfD-Chefin

Bei Weitem nicht alle Leserinnen und Leser teilen die Ansicht des stern-Chefredakteurs und der beiden Reporter – viele sind der Meinung, dass eine Redaktion der Vertreterin einer rechtsextremen Partei keine solche Bühne bieten dürfte, es gibt aber auch Gegenstimmen. Ein Überblick:

Kritik am stern-Cover mit Alice Weidel

Die Amadeu Antonio Stiftung, die gemeinsam mit dem stern hinter der Initiative "Mut gegen rechte Gewalt" steht, schrieb: "Von Mut gegen rechte Gewalt zu Ermutigung rechter Gewalt? Was ist da los, liebe stern-Redaktion?" Das Titelbild leiste der "Aufwertung, Verharmlosung und Normalisierung der AfD" Vorschub, so der Vorwurf.

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Autorin Jasmina Kuhnke meinte schlicht: "Man redet nicht mit Nazis."

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Und SPD-Politikerin Sawsan Chebli fragte: "Muss dieses Cover sein?"

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"Spiegel"-Journalistin Ann-Katrin Müller legte sich nach Lektüre des Weidel-Interviews fest: "Nein, so sollten wir Medien nicht mit der AfD umgehen. Sie ist keine normale Partei, sondern eine, die in großen Teilen rechtsextrem ist. Sie will die Demokratie maßgeblich verändern, da haben nicht nur Parteien und Zivilgesellschaft eine Verantwortung, sondern auch wir Medien."

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"Natürlich müssen Medien die AfD beachten, aber eben nicht befördern: Der stern begründet das Weidel-Titelblatt mit 'Ambitionen auf das Kanzleramt'", schrieb Politikberater Johannes Hillje und schlussfolgerte: "Damit tappt er in die PR-Falle 'AfD-Kanzlerkandidatur'. Realistische Chancen aufs Kanzleramt hat sie nicht."

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Heftige Kritik am stern-Cover gab es auch vonseiten der AfD und ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer. Hier störten sich viele daran, dass "Hass" in Frakturschrift gesetzt wurde und sahen darin eine Verunglimpfung der Co-Parteivorsitzenden – und taten dies in den Kommentarspalten kund: "Was eine unsäglich und widerwertige Headline", hieß es beispielsweise. Oder: "Was der stern sich da erlaubt, ist das Letzte."

Der Text sei "eine klare Verleumdung", schrieb die Wirtschaftsjournalistin und Buchautorin Regula Heinzelmann. "Nicht nur gegen Alice Weidel, sondern gegen 20 Prozent der Wähler."

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Doch bei aller Kritik – die stern-Redaktion erreichte auch Zuspruch für Titelbild und Interview. "Aktive Auseinandersetzung ist immer besser als Stigmatisierung und Ignoranz", schrieb ein Leser. "The Pioneer"-Chefredakteur Michael Bröcker meinte: "Die Wahrheit ist: Wir Medien sind bei der Berichterstattung über die AfD seit Jahren verdruckst, feige und zum Teil verlogen. Ich auch. Danke für die überfällige Debatte."

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"Früher hätte ich gesagt, so einen Titel sollte man nicht machen – keine Bühne der AfD! Aber ich habe mich überzeugen lassen, dass man diese Leute argumentativ stellen muss", meinte Journalist Hasnain Kazim und kündigte einen Beitrag über seinen Sinneswandel für das Wochenende in der "Zeit" an.

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Autor und Kommunikationsberater Hendrik Wieduwilt versuchte es mit einer Einordnung: "Die AfD wird nicht durch Titelbilder stark, die AfD ist stark. Verstehe ja, dass man von allen handlichen Erklärungen nun auch wieder 'Ihr gebt denen eine Bühne!' rauskramt. Aber es ermattet, immer wieder Journalismus von Aktivismus abschichten zu müssen. (...) Wir müssen da hinschauen, ob wir wollen oder nicht."

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wue