Andrea Ypsilanti "Ich will Macht"

Sie will es wissen - und niemand aus Berlin kann sie mehr stoppen: Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti ist fest entschlossen, sich im Herbst mit den Stimmen der Linkspartei zur Regierungschefin wählen zu lassen. "Ja, ich will Ministerpräsidentin werden", sagt sie dem stern.

Eine Woche ist es nun her, dass sie den Kurs abgesteckt hat, an dessen Ende der Sturz des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch stehen soll. "Mörderisch" heißt es in Berlin, sei dieser Plan. Oder, in seiner abgeschwächten Variante: "rücksichtslos". Denn die Befürchtungen im Willy-Brandt-Haus könnten größer kaum sein, dass ein SPD-Kanzlerkandidat mit der rot-grün-roten Hypothek aus Wiesbaden gar nicht erst ins Rennen gehen braucht. Doch Ypsilanti weist im stern-Gespräch sämtliche Vorwürfe zurück, mit einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung würde sie SPD-Chef Kurt Beck oder Außenminister Frank-Walter Steinmeier als potentiellen SPD-Kanzlerkandidaten beschädigen. "Das nehme ich nicht auf meine Kappe", sagte Ypsilanti. "Wenn wir Sozialdemokraten in Hessen eine Minderheitsregierung zustande bringen und diese Regierung ordentlich arbeitet, dann sehe ich nicht, wo der Schaden für die Bundespartei sein soll. Ich trage nicht Schuld am ganzen Elend dieser Welt."

Mutige Hessen

Vehement verteidigte sie ihren Kurs gegen Kritik aus der eigenen Parteiführung: "Die SPD im Bund entscheidet ihre Fragen, wir in Hessen entscheiden unsere", sagte Ypsilanti. Vielleicht, so glaubt die ambitionierte 51-Jährige, wird es ja abermals Modellcharakter haben, so wie 1985, als es in Wiesbaden die erste rot-grüne Koalition auf Länderebene gab - 13 Jahre bevor dieses Bündnis dann auch im Bund zustande kam. Zum stern-Gespräch im Berliner Büro hat sie eine Pressemappe von damals dabei. "Armes Deutschland" heißt es in Kommentaren. Das publizistische Sperrfeuer jener Tage erinnert sie an die herbe Kritik dieser Wochen. Ein "Deja-vu" sei das gewesen, als sie die Artikel noch Mal nachgelesen habe. Vielleicht, so Ypsilanti, "sind ja die Hessen schon immer etwas mutiger gewesen."

Ypsilanti räumte dennoch ein, dass der Druck auf sie "groß" sei. "So etwas geht schon unter die Haut. Was da getrieben wird, ist teilweise wirklich hysterisch". Es gehe alles "nicht spurlos an mir vorbei, das bereitet mir buchstäblich Kopfschmerzen."

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"Ich will etwas bewegen"

Die SPD-Landeschefin bezeichnete ihr Verhältnis zur Linkspartei als "entspannt". Die sechs hessischen Landtagsabgeordneten der Linken machten "nicht den schlechtesten Eindruck". Das seien Menschen, die aus "sozialpolitischer Verantwortung heraus Politik machen. Denen ist soziale Gerechtigkeit wichtig." Ypsilanti bestritt, dass sie sich mit ihrem Tolerierungskurs in die Hände von Linken-Chef Oskar Lafontaine begebe. "Ich bin nicht von Lafontaine abhängig", sagte sie. Außerdem habe sie es mit ihm in Hessen nicht zu tun.

Auf die Frage, was der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in ihrer Situation tun würde, antwortete Ypsilanti: "Ich bin mir sicher, er würde diese strategische Option nicht schnöde zurückweisen. Aber mir wird ständig vorgeworfen, ich sei machtgierig." Sie wolle an die Macht, verteidigte sie sich. "Aber nicht um der Macht willen, sondern weil ich etwas bewegen will."

Die SPD-Landeschefin wird voraussichtlich im November einen zweiten Anlauf unternehmen, sich mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken zur hessischen Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Ein erster Versuch war im März am Widerstand der SPD-Abgeordneten Dagmar Metzger gescheitert. Metzger hat angekündigt, sich dem Linkskurs ihrer Parteivorsitzenden erneut zu verweigern. Ypsilanti wäre so bei einer Wahl zur Ministerpräsidentin auf jede einzelne Stimme des rot-rot-grünen Lagers im hessischen Landtag angewiesen. "In Hessen waren die Mehrheiten schon immer knapp. Ich bin mir des Risikos bewusst", sagte Ypsilanti im stern-Interview. Sie werde vor der Entscheidung mit jedem einzelnen SPD-Abgeordneten ein Vieraugengespräch führen. Ein Scheitern könne immer passieren. "Man guckt den Leuten auf die Stirn, nichts ins Hirn." Aber sie habe eine gewisse Menschenkenntnis. "Ich spüre, wem ich vertrauen kann."

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