Der Vorsitzende der Experten-Kommission zur Reform des Arbeitsmarkts, Peter Hartz, will die Zahl der Arbeitslosen in drei Jahren halbieren und die Ausgaben der Arbeitsämter zugleich drastisch zurückfahren. In der SPD und bei den Gewerkschaften stießen die Vorschläge am Wochenende auf Kritik, Union und Grüne begrüßten sie.
Von 40 auf 13 Milliarden Euro
Wenn seine Vorschläge umgesetzt würden, könne es in drei Jahren nur noch zwei Millionen Arbeitslose geben - »konservativ gerechnet«, sagte Volkswagen-Personalvorstand Hartz dem Magazin »Der Spiegel«. Wie das Magazin unter Berufung auf ein Eckpunktepapier des Kommissionschefs berichtet, plant Hartz, die Ausgaben der Arbeitsämter für Lohnersatzleistungen von derzeit 40 Milliarden Euro auf noch gut 13 Milliarden Euro in drei Jahren zu senken. Kernpunkte seines Reformkonzepts seien verstärkte Anreize für eine schnellere Vermittlung, eine gezielte Förderung der Selbstständigkeit sowie ein vermehrter Einsatz von Leiharbeit. In der SPD-Bundestagsfraktion sowie vom DGB wurde der Vorschlag zurück gewiesen, das Arbeitslosengeld in den ersten Monaten in Pauschalbeiträgen auszuzahlen.
»Vorschläge könnten Riesenärger bringen«
Das Arbeitslosengeld solle künftig innerhalb der ersten sechs Monate in drei verschiedenen Pauschalbeträgen gezahlt werden, die sich am Einkommensniveau der Erwerbstätigkeit orientieren, hieß es. Danach werde das Arbeitslosengeld nach den gegenwärtig geltenden Regeln berechnet und gezahlt. Für Langzeitarbeitslose werde ein neues »Sozialgeld« vorgeschlagen, das in etwa der Sozialhilfe entspreche. Wann die Kürzung einsetzt, werde in der Kommission derzeit noch beraten.
»Darüber muss nochmal nachgedacht werden«
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Rennebach forderte Nachbesserungen. »Darüber muss noch einmal intensiv nachgedacht werden«, sagte sie der »Welt am Sonntag«. Die Diskussion über die Ideen der Hartz-Kommission sei zudem lästig für alle, die im Wahlkampf seien. Ihr Fraktionskollege Hans-Peter Kemper sagte dem Blatt: »Es würde Riesenärger geben, wenn wir das so mitmachen.« DGB-Chef Michael Sommer erklärte, eine Debatte über Pauschalierung von Leistungen sei alles andere als hilfreich. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung seien keine Almosen, weil die Arbeitnehmer dafür Beiträge zahlten.
Dagegen begrüßten der Schattenwirtschaftsminister der Union, Lothar Späth (CDU), und die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert die Pläne. Eine Pauschalierung des Arbeitslosengeldes werde die Arbeitslosenvermittlung entbürokratisieren.
Hartz »Arbeitsämter sollen Arbeitslose praktisch anstellen«
Die Arbeitsämter in Deutschland sollen Hartz zufolge Arbeitslose praktisch direkt anstellen: »Jedem Arbeitsamt gliedern wir eine so genannte Personal-Service-Agentur an, die wie eine private Zeitarbeitsfirma arbeitet oder möglicherweise sogar eine ist.« Die Agentur solle Arbeitslose nach dem Prinzip der Zeitarbeit befristet an private Unternehmen ausleihen.
Zumutbarkeitsregeln für Ledige sollen verschärft werden
Weiter werde in dem Papier vorgeschlagen, die Vermittlung dadurch zu beschleunigen, dass Arbeitslose sich umgehend nach ihrer Kündigung melden und Kürzungen der Ersatzleistungen hinnehmen sollen, wenn sie die Meldefrist versäumen. Auch die Zumutbarkeitsregeln für ledige Arbeitslose sollten verschärft werden, hieß es in dem Bericht. Gefördert werden soll Hartz zufolge auch die Selbstständigkeit von Arbeitslosen. »Künftig dürfen Arbeitslose legal bis zu einer bestimmten Grenze dazuverdienen, wobei nur ein Teil gegengerechnet wird«, sagte Hartz. Abzuführen sei dann nur eine Pauschalsteuer von beispielsweise zehn Prozent.
»Gute Chancen für rasche Umsetzung«
Hartz bezeichnete seine Vorschläge als zumutbar und realistisch. Er sehe gute Chancen, dass sein Konzept nach der Bundestagswahl im Herbst rasch umgesetzt werde. »Die politische Partei möchte ich sehen, die sich dann hinstellt und sagt, wir bleiben lieber bei unseren vier Millionen Arbeitslosen und tun nichts.« Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission soll ihren Abschlussbericht am 16. August vorlegen.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Wie die »Berliner Zeitung« unter Berufung auf Kreise der Reformkommission berichtet, erwägt das Gremium, die Lohnersatzleistungen künftig auf insgesamt zwei Jahre zu begrenzen. Am Freitagabend hatte Hartz nach einer Sitzung des Gremiums jedoch erklärt: »Zur Dauer und Ausgestaltung der Lohnersatzleistungen hat sich die Kommission noch nicht festgelegt.«
»Stärker fördern, aber auch fordern«
Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) kündigte an, die Arbeitslosen künftig stärker zu fördern, aber auch zu fordern. Die Bundesanstalt für Arbeit werde nach den Vorschlägen der Kommission schnell zu einer modernen Dienstleistungszentrale umgebaut, sagte Riester dem Sender n-tv.