Armutsbericht Reiche sollen sich solidarisch zeigen

Bestätigt hat die Bundesregierung die neuesten Zahlen noch nicht, aber die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland geht offenbar immer weiter auseinander. SPD-Linke fordern jetzt erneut eine Extra-Steuer für Reiche.

Angesichts des neuen Armutsberichts haben SPD-Linke und Gewerkschafter erneut einen höheren Solidarbeitrag der Reichen in Deutschland gefordert. Schleswig-Holsteins Finanzminister Ralf Stegner (SPD) schlug vor, auf das Einkommen von Höchstverdienern einen Solidarbeitrag in Höhe von fünf Prozent zu erheben. "Wir sind dafür, dass starke Schultern mehr tragen als schwache", sagte Stegner der "Berliner Zeitung" (Dienstagausgabe).

Besitzanteil der Reichsten gestiegen

Der "Spiegel" hatte am Wochenende über den Entwurf des jüngsten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung berichtet. Demnach wuchs seit 1998 der Anteil derjenigen, die mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze auskommen müssen, von 12,1 auf 13,5 Prozent. Von den Familien seien sogar 13,9 Prozent von Armut betroffen. Gleichzeitig stieg der Besitzanteil der Reichsten am Gesamtvermögen von fünf Billionen Euro.

Die SPD-Sozialexpertin Sigrid Skarpelis-Sperk forderte Maßnahmen gegen die zunehmende Konzentration des Reichtums. "Das ist genau der Punkt, der uns alle bestürzen muss", sagte Skarpelis-Sperk. Es sei daher besonders ärgerlich, dass Deutschland eines der wenigen reichen Länder sei, in dem es keine Vermögensbesteuerung gibt und in dem die Erbschaftsbesteuerung relativ niedrig ist.

Kindergärten sollen umsonst sein

Skarpelis-Sperk sagte, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sei eine Verfestigung von Armut nicht hinnehmbar. Nötig sei mehr staatliche Hilfe für Kinder und Jugendliche, die laut Bericht die größte Gruppe der Sozialhilfeempfänger stellen. "Kindergärten und Kindergrippen müssen für Bedürftige umsonst sein", sagte Skarpelis-Sperk. "Überdies müssen wir an den Universitäten für ärmere Kinder großzügigere Stipendien einführen. Bafög ist nicht genug."

Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, warnte vor dem Entstehen einer neuen Generation von Bedürftigen. Das läuft darauf hinaus, dass wir eine größere Zahl von Sozialhilfeempfängern heranziehen", sagte Hirrlinger.

Bildungschancen würden "vererbt", zitiert das Magazin aus dem Berichtsentwurf weiter. So seien die Chancen eines Kindes aus einem Elternhaus mit hohem sozialem Status, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, fast dreimal so hoch wie die eines Facharbeiterkindes. Seine Chance, ein Studium aufzunehmen, sei sogar 7, 4 mal größer als die eines Kindes aus einem Elternhaus mit niedrigem sozialem Status.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Keine vorschnellen Äußerungen" der Bundesregierung

Die Bundesregierung lehnt eine Bewertung der neuesten Zahlen zu der Verteilung von Armut und Reichtum in Deutschland derzeit ab. Der zweite Armuts- und Reichtumsbericht liege noch gar nicht vor. Deswegen werde es "keine vorschnellen Äußerungen" geben, sagte Regierungssprecher Béla Anda am Montag in Berlin. Die Regierung muss einen Armutsbericht spätestens vor der Bundestagswahl 2006 vorlegen.

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AP/DPA