Auftritt in Berlin KT zu Guttenberg - vorerst bescheidener

Nach drei Jahren Abwesenheit tritt Karl-Theodor zu Guttenberg wieder in Berlin auf - und findet das selbst "seltsam". Das ist es auch. Denn der einstige Superstar präsentiert sich in neuer Rolle.

Noch bevor der Mann mit seiner Rede beginnt, muss er erstmal die ganzen Vorbehalte abschießen. Er komme ohne Hintergedanken. Peng. Er wolle nur einen Debattenbeitrag leisten. Peng. Er hege keine Ambitionen, in die deutsche Politik zurückzukehren. Peng. Und damit es wirklich jeder kapiert, auch die Kamerateams, Fotografen und Journalisten, die ihn sofort in der Berliner Microsoft-Repräsentanz umrunden, legt er noch eine Selbstbeschimpfung obendrauf: "Ich bin immer noch der gleiche Depp wie früher." Peng, Peng, Peng.

Karl-Theodor zu Guttenberg. Ex-Verteidigungsminister, Ex-Kanzlerhoffnung, Ex-Popstar. Es ist sein erster Auftritt in Berlin seitdem er vor drei Jahren mit dem großen Zapfenstreich aus der großen Politik entlassen wurde. "Seltsam" sei das, wieder hier zu sein, sagt er. Und das ist es in der Tat.

Wieder mit Harry-Potter-Brille

Denn Guttenberg war noch in der jüngeren Vergangenheit keine Pose zu groß. Schon bald nach seiner Abwanderung in die USA versuchte er ein Comeback. Der "Zeit" gab er ein großes Interview; es erschien, zwischen zwei Deckel gepackt, auch als Buch. Der anspielungsreiche Titel: "Vorerst gescheitert". Darin verbreitet er sich zur deutschen Politik - aber seine Schulmeisterei vergraulte selbst wohlgesonnene Anhänger. Ende Januar 2014 flog er zur Münchner Sicherheitskonferenz und hielt parallel zum offiziellen Kongress eine Rede. Es schien, als könnte Guttenberg nicht darauf verzichten, auf sich aufmerksam zu machen. Seiner Bedeutung nachzulauschen. Seine Chancen abzutasten.

Vorbei.

In Berlin ist ein anderer Guttenberg zu besichtigen. Sein Thema: "Big Data". Er spricht in einem eher kleinen Vortragssaal, trägt Business-Casual, das Hemd zwei Knopf offen, auf der Nase sitzt wieder die alte Harry-Potter-Brille, die er angeblich nicht mehr braucht. Und schon nach drei, vier Minuten ist klar: Der Mann ist ziemlich entspannt. Er steht nicht mehr in kerzengerader Haltung am Pult, er tänzelt, gestikuliert, bewegt sich. Vorbei auch der hohe Ton, den er früher in seinen Reden pflegte. Guttenberg redet nicht mehr in der dritten Person über sich selbst, das Geschwollene ist abgefallen, er kommt ohne ständige Verweise auf Pflichten, Ehre und Heimat aus. KT - einfach ein politisch denkender Vortragsreisender. Ein Arbeiter im Weinberg der transatlantischen Beziehungen. Spezialgebiet: Internet (was immer noch nicht ganz frei von Ironie ist, da es immerhin die Internet-Community war, die ihm die Plagiate in seiner Doktorarbeit nachwies und ihn so aus dem Amt kegelte).

Bespiegelung in Obama

Guttenberg hat die Rede, die er in Berlin hält, in wesentlichen Aspekten zuvor auch schon in der Schweiz gehalten. Es gibt also nicht viel Neues zu hören. Er beklagt den "Anti-Amerikanismus", der sich seit der NSA-Affäre in Deutschland breit gemacht habe und fordert zum Dialog auf. Gleichzeitig verweist er auf die machtpolitischen Gegebenheiten, die wenig Entgegenkommen der USA erwarten lassen. Neben dem Staat sieht er die Privatwirtschaft in der Pflicht, sorgsamer mit Daten umzugehen, es gebe eine zu wenig beachtete Machtverschiebung "from governement to googlement". Und er kritisiert die Zersplitterung der politischen Zuständigkeiten. In Europa fehle ein Internet-Kommissar. Und in Deutschland existiere eine "Zuständigkeitscombo" von Sigmar Gabriel (Wirtschaft) über Alexander Dobrindt (Verkehr), Thomas de Mazière (Innen) bis Ursula von der Leyen (Verteidigung).

Erstaunlich ist allein, wie harsch er in den allgemeinen Teilen seiner Rede über Barack Obamas Regierung urteilt. Es sei "eine Administration, die verzweifelt damit kämpft, auch nur irgendwas in den Geschichtsbüchern zu hinterlassen außer einer verkorksten Gesundheitsreform." Obama habe weder die Innen- noch Außenpolitik im Griff, er könne zwar blendend vor Kameras auftreten, sei aber ansonsten ein "unglaublich schwieriger Mensch in der zwischenmenschlichen Kommunikation", wie aus dem Weißen Haus zu hören sei. Guttenberg nennt Obama einen "Popstar", der enttäuscht habe, redet von dessen "Abstieg" und dass seine Politik "nicht substanziell" gewesen sei. Und während Guttenberg so spricht, füllt der Eindruck den Raum, dass er sich unangenehm gespiegelt fühlt. Dass er sich über Obama auch deswegen so aufregt, weil er Wesenszüge erkennt, die ihm nicht fremd sind. Dass er seine Teufel auch im anderen austreiben will.

Politiker schicken Mitarbeiter

Namhafte Politiker sind zu Guttenbergs Rede in Berlin nicht gekommen. Wie sich in der nachfolgenden Debatte zeigt, haben einige Abgeordnete, vor allem Netzpolitiker, ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter geschickt. Sie wollen schon wissen, was Guttenberg zu sagen hat, aber sich nicht auf einem Foto mit ihm sehen lassen. Die politische Szene hält Distanz. Nur Klaus-Peter Willsch steht später mit einem Teller vom Buffet am Tisch. Willsch ist einer der wenigen Euro-Rebellen der CDU-Fraktion. Ein Außenseiter.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ganz anders die sonstigen Besucher. Ein Bodyguard holt Guttenberg nochmal auf die Bühne und lässt sich neben ihm fotografieren. Klick. Junge Leute drängen heran, um Selfies mit Guttenberg zu machen. Klick. Kamerateams, auch von den Öffentlich-Rechtlichen, wollen Kurzinterviews haben. Klick, klick.

Guttenberg macht den Zirkus ziemlich unaufgeregt mit. Er will noch ein paar Tage in Berlin bleiben. Er ist - vorerst bescheidener.

lk

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