Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse soll zügiger und transparenter werden - Zuwanderer sollen künftig einen Rechtsanspruch darauf haben, dass das Verfahren nicht länger als drei Monate dauert, wenn alle nötigen Nachweise vorliegen. Dies sieht ein Gesetzentwurf des Bundesbildungsministeriums vor, der der "Financial Times Deutschland" und der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. Das Gesetz solle helfen, dem Fachkräftemangel zu begegnen und Einwanderer besser zu integrieren, hieß es. Das Ministerium schätzt, dass etwa 300.000 Menschen, die in Deutschland leben, von der Neuregelung profitieren werden - außerdem Zuwanderer, die neu ins Land kommen.
Der Entwurf werde derzeit mit anderen Bundesministerien abgestimmt, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". In früheren Planungen der schwarz-gelben Koalition sei noch von Fristen bis zu sechs Monaten die Rede gewesen. Derzeit müssen Einwanderer oder Deutsche, die im Ausland Abschlüsse erworben haben, oft jahrelang auf einen Bescheid warten, was ihre Zeugnisse hierzulande wert sind. Außerdem sind für die Anerkennung viele verschiedene Behörden und Kammern zuständig, auch sind die Regelungen sehr unübersichtlich. Das Gesetz könnte bereits im kommenden Jahr in Kraft treten.
Punktesystem für Fachkräfte
"Unsere Volkswirtschaft kann sich auf bis zu 300.000 neue Fachkräfte freuen", sagte Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) der "Financial Times Deutschland". "Wir wollen das Potenzial, das in unserem Land schlummert, aktivieren." Sie verspreche sich vor allem Fachkräfte in Natur- und Ingenieurswissenschaften, Pflegeberufen und der Medizin. Das Gesetz sei auch ein Beitrag zur Integration. Schavan: "Wir erwarten zu Recht von Zuwanderern, dass sie unsere Werte respektieren. Aber umgekehrt können Zuwanderer von uns erwarten, dass wir ihre Qualifikationen und ihre Bereitschaft zur Integration anerkennen."
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) will gegen den Fachkräftemangel die Bewertung ausländischer Berufsqualifikationen erleichtern. Dazu stellt er heute in Berlin eine Studie vor, die die Chancen für den Aufbau eines entsprechenden Informationsportals ausleuchten soll. In der Debatte über den Zuzug qualifizierter Ausländer plädiert Brüderle für die Einführung eines Punktesystem nach kanadischem Vorbild.
Repressalien für Deutschkurs-Schwänzer
Die Koalition will nach einem Bericht der "Neuen Osnabrücker Zeitung" noch in diesem Monat ein Gesetzespaket auf den Weg bringen, mit dem ein härteres Durchgreifen gegen Integrations-Verweigerer ermöglicht wird. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), sagte dem Blatt: "Wir werden die Träger von Integrationskursen gesetzlich verpflichten, den Sozial- und Ausländerbehörden sofort zu melden, wenn Migranten trotz Teilnahmepflicht Kursen fernbleiben." Auch sei ein lückenloser Daten-Austausch zwischen Arbeitsagenturen und Ausländerbehörden geplant.
Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der Zeitung, das strengere Durchgreifen gegen Integrationsverweigerung sei Teil eines Gesetzespakets, das noch im Oktober auf den Weg gebracht werden solle. Die Koalitionspläne zielen nach den Worten Bosbachs zudem darauf ab, Zwangsehen unter Strafe zu stellen und Scheinehen einen Riegel vorzuschieben. "Der hohe Unrechtsgehalt einer Zwangsverheiratung wird künftig durch einen eigenständigen Straftatbestand besonders betont."
FDP-Generalsekretär Christian Lindner wies unterdessen die Haltung von CSU-Chef Horst Seehofer zur Zuwanderung zurück. "Für mich war das kein fachlicher Beitrag von Horst Seehofer. Es war der Versuch, die Lufthoheit über den Stammtischen von Thilo Sarrazin zurück zu gewinnen", sagte er dem "Handelsblatt". "Pauschalurteile und kulturelle Abschottung sind falsch." Entscheidend für Zuwanderung seien "nicht das religiöse Glaubensbekenntnis oder die private Lebensführung, sondern die Akzeptanz unserer Rechtsordnung und die Bereitschaft zur Integration in Wirtschaft und Gesellschaft. Wer also nach unseren Regeln spielt und mithilft, unser Land nach vorne zu bringen, sollte uns willkommen sein."
DIW fordert Zuwanderung
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, hat mehr Zuwanderung gefordert und dabei muslimische Zuwanderer ausdrücklich eingeschlossen. "Es gibt massive Handlungsnotwendigkeiten", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Im Augenblick kommen 700.000 Menschen pro Jahr rein, aber mehr als 700.000 Menschen verlassen uns auch wieder. Wir sind ein Auswanderungsland." Das sei eine gefährliche Entwicklung, die in den nächsten 20 bis 30 Jahren zu erheblichen Anpassungsschwierigkeiten führen werde, sagte Zimmermann. Nötig seien "jährlich 500.000 Menschen netto mehr im Land".
Der DIW-Präsident erwies darauf, dass alle Partnerländer Deutschlands einen hohen Fachkräftemangel haben. Daher könnte man nicht darauf setzen, "dass aus den immer leerer werdenden osteuropäischen Beitrittsländern die Menschen ausgerechnet zu uns kommen". Zimmermann forderte, das Zuwanderungsgesetz um ein Punktesystem zu ergänzen. Das Gesetz sei bisher nur eine Hülle. Es müsse die Zuwanderung besser regeln. Zimmermann fügte hinzu: "Die Aufnahmefähigkeit von Migranten aus muslimischen Ländern ist nicht automatisch schlechter als die von anderen Migranten. Denn Menschen mit einem größeren kulturellen Abstand haben auch eine größere Bereitschaft, diesen Abstand zu vermindern." Von daher sei es falsch, eine entsprechende Debatte zu führen.