Berlin vertraulich! Auf Treibjagd mit der "Vier-Prozent-Sekte"

Von Hans-Peter Schütz
Die Liberalen sind zurück in Berlin, haben ihr Dreikönigstreffen aber noch nicht ganz verarbeitet. Eine Äußerung von FDP-General Christian Lindner gibt nachhaltig zu denken - genauso wie eine Attacke auf den Grünen Fritz Kuhn.

Teils ratlos, teils mutlos beim Blick auf die FDP-Zukunft sind viele führende Liberale nach dem Stuttgarter Dreikönigstreffen ins politische Berlin zurückgekehrt. Nichts Neues von Guido Westerwelle. Bis auf ein Rätsel, über das in der FDP mit Gänsehaut nachgedacht wird. Hatte der FDP-Generalsekretär Christian Lindner in seiner kurzen Rede in Stuttgart doch einen Satz benutzt, der zumindest ältere FDP-Abgeordnete beunruhigte. Lindner: "Wenn man die Union nicht treibt, treibt sie nichts." Klingt kämpferisch, könnte aber auch gemein in Richtung Westerwelle gewesen sein. Denn es gibt im FDP-Archiv den Satz "Wenn man ihn nicht treibt, treibt er nichts." Das hat Jürgen Möllemann einmal über Guido Westerwelle gesagt. Wer Lindner kennt, der Möllemann sehr gut kannte, kann den CDU-Satz durchaus auch für eine Botschaft an Westerwelle halten.

Auch einen der wenigen amüsanten Zwischentöne auf dem FDP-Dreikönigstreffen setzte Lindner. Zog bei seiner Rede plötzlich einen Zettel aus der Tasche, um dem baden-württembergischen Grünen Fritz Kuhn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag, gezielt anzumachen. Dort hatte er notiert, gegen was die Grünen schon alles gewesen sind. So habe Kuhn 1984 vor bösen ökonomischen und ökologischen Folgen von Bildschirmtext im Fernsehen und ISDN-Telefonen gewarnt. Kuhn erträgt den Angriff des Mannes, der damals noch in den Kindergarten ging, locker. Er sagte stern.de: "Lindners Not muss gigantisch sein, wenn er Zitate von vor 27 Jahren bemüht. Eine Vier-Prozent-Sekte klammert sich halt an jeden Strohhalm." Was Lindner in Stuttgart gemacht hat, war allerdings ein klarer Verstoß gegen eine Regel, die schon in der politischen Grundschule eingetrichtert wird: Erinnere den politischen Gegner nicht daran, was er mal vor langer Zeit gesagt hat, denn da findet jeder bei jedem ähnliche Sündenfälle. Einer ist derzeit in einer Ausstellung der Jungen Liberalen zu besichtigen, mit der sie ihr 30-jähriges Jubiläum feiern. Dort kann ein Interview mit Guido Westerwelle besichtigt werden mit der Überschrift "Liberalismus ist nicht nur Wirtschaftspolitik." Und der heutige Noch-FDP-Chef sagt darin: "Wir müssen als Partei deutlicher machen, dass sich Liberalismus nicht auf bestimmte Politikfelder beschränken darf." Wann das war? 1985 und Guido fühlte sich noch als Nachwuchstalent. Und jetzt ist er politische verantwortlich für die steuerpolitische Schmalspur-FDP.

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Die Präsidentenfamilie ist jetzt aus Großburgwedel bei Hannover weg gezogen, in Berlin angekommen und in eine Villa im Berliner Stadtteil Dahlem eingezogen. Präsident Christian Wulff geht nun zuweilen einkaufen, steht brav mit seinen Söhnen Leander Balthasar (7) und Linus Florian (2) an der Kasse im Supermarkt. Die Privatwohnung der Familie Wulff liegt im ersten Stock der Dienstvilla des Bundespräsidenten. 150 Quadratmeter groß, das klingt nicht schlecht. Weil jedoch ein Präsidentenehepaar mit kleinen Kindern noch nie vorgesehen war, mussten irgendwie auch Kinderzimmer in den Bau hinein operiert werden. Viel Platz war nicht. So muss sich Linus mit 7,3, Leander mit 11,5 Quadratmetern begnügen. Als Ex-Kanzler Gerhard Schröder noch in der Villa lebte, dienten ihm die beiden Zimmer der Wulff-Kinder als Ankleideraum. Auf die Wulff-Tochter aus erster Ehe, Annalena (17), wartet für ihre Besuche in Berlin ein Zimmerchen unterm Dach, das allerdings erstmal von krebserregenden Stoffen befreit werden musste.

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Es gibt ihn wirklich, den Bundestagsabgeordneten Cajus Julius Cäsar. Er sitzt seit Januar in der CDU-Fraktion, wenngleich nicht als Nachkomme des römischen Staatsmanns. Den stolzen Namen des CDU-Manns trug schon sein Vater, tragen sein Sohn und auch sein Enkel. Wolfgang Schäuble ließ sich schon einmal den Ausweis des Parteifreundes zeigen, weil er den Namen nicht glauben wollte. Was Cäsar auszeichnet: Er saß schon zweimal als Nachrücker im Parlament, weil ein anderer Abgeordneter ausschied. Den Platz jetzt hat ihm der Kollege Leo Dautzenberg frei gemacht, bisher finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, der zum Jahresanfang auf den erheblich besser bezahlten Posten des Cheflobbyisten des Energiekonzerns Evonik gewechselt ist.

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Im Berliner Außenministerium ballen die Beamten jetzt mal wieder ganz undiplomatisch die Fäuste. Denn wieder einmal hat man ihnen die Verkehrssünder-Liste der in Berlin akkreditierten Diplomaten vorgelegt. 8610 Mal sind sie der Polizei durch verkehrswidriges Verhalten aufgefallen. 180.010 Euro Bußgeld wären eigentlich fällig gewesen, werden aber nicht erhoben, weil die Immunität den Geldbeutel aller Diplomaten schützt. Die schlimmsten Verkehrssünder sind die saudi-arabischen Diplomaten und die Russen. Ein besonders krasser Fall: Die Polizei stoppte ein Fahrzeug, das ein 13-Jähriger steuerte, der Vater saß daneben. Er zückte den Diplomatenpass und erklärte, er habe seinen Jungen eben mal fahren lassen. Den Diplomaten geschieht im Übrigen selbst dann nichts, wenn sie im Supermarkt beim Ladendiebstahl erwischt werden.

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