Ein Name kursierte am Rande der jüngsten Afghanistan-Debatte im Bundestag, den alle anwesenden Abgeordneten kannten: Willy Wimmer, von 1976 bis 2009 CDU-Abgeordneter, zeitweilig Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsressort. In Sachen Afghanistan hatte er gegen den Beschluss des Bundestags geklagt, die Nato-Truppen in Afghanistan mit Tornado-Flugzeugen zu unterstützen. Denn damit flankiere die Bundesrepublik völkerrechtswidrige Aktionen der USA. Im Frühjahr 2007 war das eine mutige Aktion. Nun hat Wimmer wieder Mut bewiesen: mit einem Brief an Unions-Fraktionschef Volker Kauder, der eifrig herum gereicht wurde.
Artig bedankt sich Wimmer darin bei Kauder für die Einladung zur Weihnachtsfeier der Fraktion am 15. Dezember in einem Zelt neben dem Kanzleramt. Kommen werde er allerdings nicht, vielleicht liege es an der Örtlichkeit, ganz gewiss aber auch am bisherigen Auftreten der neuen Regierung. "Danach wäre", so Wimmer, statt einer Feier "eine Bußandacht sehr angemessen". In der Unions-Fraktion herrsche eine Diskussionslosigkeit, die ihn ängstige. Kauder möge doch bitte "die Verantwortlichen für die Fehlleistungen zwingen, ihr Verhalten zu ändern".
Es folgen Sätze, die wie Keulenhiebe auf Angela Merkel niedergehen. "Die Regierung, der die Bundeskanzlerin vorsteht, fällt in einer Weise übereinander her, wie es im Zusammenhang mit der weltweiten Entwicklung verantwortungslos ist." Die Entlassung von Ex-Verteidigungsminister Franz-Josef Jung nennt er "eine höchst seltene Selbstverstümmelung im Kabinett". Wie sich die schwarz-gelbe Koalition derzeit aufführe, setze eine Uhr in Gang, die "bei der Landtagswahl im Mai 2010 in Nordrhein-Westfalen abzulaufen droht". Die Düsseldorfer Landesregierung, so der Nordrhein-Westfale Wimmer, könne schon heute die Verantwortung für kommende Wahlverluste nach Berlin abschieben.
Nach den jüngsten politischen Ereignissen ist für Wimmer eines bei der CDU völlig klar: "In der Zeit der größten Herausforderung für unser Land seit Menschengedenken ist die Regierung mit sich selbst beschäftigt oder denunziert eine angesehene Mitbürgerin [gemeint ist die Vertriebenen-Politikerin Erika Steinbach, Red.] im befreundeten Ausland." Wimmers Bilanz in diesem Klagebrief: Er fordert, Merkel als CDU-Chefin abzusetzen. "Ein Handeln der Bundestagsfraktion ist unausweichlich, wenn nicht eine umgehende Trennung des Amts der Bundeskanzlerin von dem Amt der Parteivorsitzenden in Erwägung gezogen wird." Ob Kauder Wimmer geantwortet hat?
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Was für eine Premiere vor der Hauptstadtpresse. In Sitzungswochen pflegt der jeweilige FDP-Fraktionschef am Mittwochmorgen die Journalisten über den Ablauf im Bundestag aus FDP-Sicht zu informieren. Als Wolfgang Gerhardt Boss war, erschienen vielleicht 15 Korrespondenten zum Frühstück. Zu Guido Westerwelles Zeiten in diesem Amt traten um die 20 Schreiberlinge an; erst als die Machtbeteiligung der FDP wahrscheinlicher wurde, wuchs das Interesse. Vergangene Woche, beim ersten Auftritt von Birgit Homburger, marschierten mindestens 6o Hauptstadtkorrespondenten an. Sie zuckten leicht zusammen, als die neue FDP-Fraktionschefin rausschmetterte: "Grüß Gott, alle mitanand!" Und zu ihrem Start im Fraktionsvorsitz mitteilte: "Wir sind in einem affenartigen Tempo arbeitsfähig geworden."
An Worte wie "affenartig" muss sich die Hauptstadtpresse erst noch gewöhnen, so wie an die Wörtchen "saumäßig schnell", die Homburgers badischer Landsmann Volker Kauder gerne benutzt. Vor Aufregung redete einer der Journalisten Homburger als "Frau Steinbach" an. Der arme Mann war so verwirrt, dass er die dunkelhaarige Homburger mit der 30 Jahre älteren, blonden Erika Steinbach verwechselte. Sie ertrug es mit heiterem Lachen.
stern.de handelte sich die Ermahnung ein, künftig ihre Emotionen besser zu rechercherieren. Wir hatten berichtet, dass Homburger 1994 bitterlich geweint habe, weil der damalige Parteichef Klaus Kinkel sie nicht zur Parlamentarischen Staatssekretärin im Umweltministerium gemacht hatte, obwohl sie doch damals umweltpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion gewesen war. Bei ihr seien Tränen der Enttäuschung geflossen. Homburger stellte diese Szene nun klar: "Stimmt. Es flossen Tränen. Aber Tränen der Wut."

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Was qualifiziert eigentlich Angela Merkels wichtigsten Mann für die Schlapphüte, fragen Geheimdienst-Kenner der Polit-Szene. Die spöttische Antwort mit Blick auf Günter Heiß, der künftig den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst koordinieren und kontrollieren soll, lautet: seine Vergesslichkeit. Heiß hat einmal seinen höchst geheimen Dienstkoffer nach einer CDU-Fete in Hannover einfach stehen lassen und marschierte ab. Bombenalarm wurde ausgelöst. Andererseits: In dem Job muss man manches vergessen können.