Trotz scharfer Kritik der Opposition hat die rot-grüne Mehrheit im Bundestag den Haushalt 2005 unverändert beschlossen. Nach viertägiger Marathon-Debatte votierten Union und FDP am Freitag geschlossen dagegen. Die Opposition will schon im Dezember Verfassungsklage gegen den Haushalt einreichen, um "die Notbremse zu ziehen". Finanzminister Hans Eichel verteidigte sein Zahlenwerk als rechtskonform und konjunkturfördernd.
Der SPD-Politiker hat sein Ziel erreicht, die Investitionsvorgabe der Verfassung und den EU-Stabilitätspakt auf dem Papier einzuhalten. Die Maßnahmen, die er deshalb ergreift, blieben heftig umstritten, insbesondere die hohen Privatisierungserlöse und der milliardenschwere Post-Telekom-Deal. Für den Haushalt stimmten 302 Abgeordnete, dagegen waren 288.
Verfassungvorgaben eingehalten
Der Bund will kommendes Jahr mit 22 Milliarden Euro neuen Schulden auskommen, halb so viel wie 2004. Die Zinslast ist mit 40,4 Milliarden Euro angesetzt und damit der zweithöchste Einzelposten. Eichel rechnet mit Ausgaben von 254,3 Milliarden Euro. Die Verfassung schreibt vor, dass die Kreditaufnahme unter den Investitionen liegen muss. Sie betragen kommendes Jahr 22,7 Milliarden Euro. Die Opposition verwies auf diverse Haushaltsrisiken und erwartet das vierte Jahr in Folge einen Bruch der Verfassung und des Euro-Paktes.
"Finanzpolitisches Desaster"
Union und FDP sprachen von einem "finanzpolitischen Desaster und einem Offenbarungseid". Eichel wies die Kritik zurück, seinem Zahlenwerk stehe "die Verfassungswidrigkeit auf der Stirn geschrieben". "Das wird eine verwunderliche Veranstaltung", sagte er zu der Klagedrohung.
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Schließlich legten "das reiche Hessen" und mindestens vier weitere Länder verfassungswidrige Haushalte vor. Etliche von Union und FDP regierte Länder schlössen Etatlücken ebenfalls dank üppiger Privatisierungserlöse.

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Deutschland hat etwa 1,4 Billionen Euro Staatsschulden. Regierung und Opposition gaben sich sich gegenseitig die Schuld daran. Eichel rief Union und FDP erneut auf, in radikalen Subventionsabbau einzuwilligen. "Wir haben eine gemeinsame Verantwortung", betonte er. Die Opposition hielt dagegen, der Regierung fehle es an einem Konzept für mehr Wachstum und Arbeitsplätze, was Voraussetzung für weniger Schulden sei.
FDP und Union wollen in Karlsruhe klagen
Das Bundesverfassungsgericht müsse Eichels "fatale Politik beenden", sagte der angehende stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Michael Meister. Der Minister verschleudere Staatseigentum in bislang nicht gekanntem Ausmaß. Union und FDP wollen in Karlsruhe auch gegen den Nachtragsetat 2004 mit einer Rekordverschuldung von 43,5 Milliarden Euro vorgehen. Die Liberalen erwägen zudem, sich der Klage gegen den Etat 2005 anzuschließen.
Die Opposition scheiterte am rot-grünen Widerstand mit einem Antrag auf Verschiebung der Abstimmung. Der Etat 2005 sei "in der vorliegenden Form nicht beschlussfähig und er ist verfassungswidrig", sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Koppelin unter Verweis auf Kritik des Bundesrechnungshofes. Dieser hatte rechtliche Bedenken an Eichels Post-Telekom-Deal angemeldet und auf milliardenschwere Risiken verwiesen. Die Koalition sprach von Missbrauch eines Verfassungsorgans. "Wir beurteilen das eben ganz anders", sagte SPD-Haushaltssprecher Walter Schöler.