Mindestens 37 Abgeordnete braucht eine Partei aktuell, um im Bundestag eine Fraktion bilden zu können. Die Linke hat bislang 39 Abgeordnete – mit dem Austritt von Sahra Wagenknecht und ihren Bündnis Sahra Wagenknecht-Mitstreiterinnen bei der Linken verliert die Partei ihren Fraktionsstatus. Bis zur Parteigründung im Januar will die Zehner-Gruppe um Wagenknecht aber trotzdem weiter Teil der Linksfraktion bleiben. Die Fraktion werde darüber "souverän und in großer Ruhe entscheiden", erklärte Bartsch in Berlin. Warum aus der Linken austreten, aber in der Fraktion bleiben? Wagenknecht begründete das auch mit Rücksicht auf Beschäftigte in der Fraktion und einem "geordneten Übergang". Trotzdem wird der Austritt Folgen haben:
Gruppe statt Fraktion
Schrumpft die Fraktion auf unter 37 Abgeordnete, verliert sie ihren Status als Fraktion und kann nur noch als sogenannte Gruppe weitermachen. Fraktionen im Bundestag haben mehr Rechte und bekommen öffentliche Mittel, zum Beispiel für die Organisation von Veranstaltungen und vor allem für die Beschäftigung von Mitarbeitern. Mit dem Fraktionsstatus der Linken drohen viele Angestellte ihre Jobs zu verlieren. Laut Bundestag arbeiten in der aktuellen Legislaturperiode 162 Menschen für die Fraktion der Linken. Sobald die Linke ihren Fraktionsstatus einbüßt, werden die Fraktionsmitarbeiter Beschäftigte der Fraktion in Liquidation. Bis auf diejenigen, die für die Abwicklung der Fraktion benötigt werden, muss den Mitarbeitenden laut Bundestag "unverzüglich" beendet werden.
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Mitbestimmung
Für bestimmte Dinge im Bundestag muss Fraktionsstärke vorhanden sein: etwa einen Gesetzentwurf einbringen, Anträge stellen, kleine oder große Anfragen stellen, eine namentliche Abstimmung oder eine aktuelle Stunde beantragen. Eine Gruppe kann das nur, wenn sie noch Abgeordnete anderer Fraktionen hinter sich bringt: insgesamt fünf Prozent der Abgeordneten, in der aktuellen Legislaturperiode eben 37. Verlassen alle Wagenknecht-Anhänger die Fraktion, müsste die Linke zehn Abgeordnete anderer Fraktionen von ihrem Gesetzentwurf oder Antrag überzeugen. Da die Partei es schon schwer hat, Koalitionspartner zu finden, dürfte es ihr im Bundestag schwerfallen, Mitstreiter zu finden – zumal die anderen Fraktionen jederzeit eine namentliche Abstimmung beantragen können, um Abweichler auf Fraktionslinie zu bringen oder zumindest zu entlarven. Anders als Fraktionen können Gruppen abwesende Abgeordnete nicht in den Bundestag zitieren lassen.
Geld
"Nach § 58 Absatz 1 des Abgeordnetengesetzes haben Fraktionen einen Anspruch auf Geld- und Sachleistungen aus dem Bundeshaushalt. Für Gruppen besteht eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht; vielmehr müsste die Frage einer Finanzierung im Einzelfall vom Bundestag geregelt und beschlossen werden", antwortet ein Pressesprecher des Bundestages auf stern-Anfrage. "Unmittelbar mit Erlöschen des Fraktionsstatus endet auch der Anspruch auf Finanzierung aus dem Bundeshaushalt." Die Abgeordneten der Linken stünden schlagartig ohne Bundesmittel da und müssten die Arbeitsverträge ihrer Mitarbeitenden unverzüglich beenden.
Ausweg: Mandatsverzicht von Sahra Wagenknecht
Die Linken-Spitze hatte Wagenknecht und ihre Unterstützer zur Abgabe ihrer Mandate aufgefordert, damit Abgeordnete aus der Linken nachrücken können und der Fraktionsstatus erhalten bleibt. Einen Mandatsverzicht lehnt Wagenknecht ab.
Quellen: "Rechtsfragen des Fraktionsstatus", PDF auf Bundestag.de, "Fraktionen und Gruppen" auf Bundestag.de, Glossar auf bundestag.de, Pressestelle des Bundestages.