Das völlige Verbot von Versammlungen zu Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 war nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unverhältnismäßig. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig stufte am Mittwoch die entsprechende Passage einer sächsischen Corona-Schutzverordnung als unwirksam ein. Der Verordnung zufolge waren Versammlungen nur mit Genehmigung zugelassen. Auch andere Bundesländer hatten damals Kundgebungen untersagt.
Die Versammlungsverbote durften zwar auf das Infektionsschutzgesetz gestützt werden, so das Gericht. Die Behörden durften auch davon ausgehen, dass andere Schutzmaßnahmen nicht gleich wirksam gewesen wären. "Dieser Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung standen jedoch außer Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs", heißt es in dem Urteil. (Az.: BVerwG 3 CN 1.22)
Corona-Verordnung: Veranstaltungen und Versammlungen waren untersagt worden
Das komplette Verbot sei "ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit" gewesen, so das Gericht. Dass die Verordnung Einzelgenehmigungen in Aussicht stellte, habe wenig geändert. Aus der Vorschrift sei nicht erkennbar gewesen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen trotz Pandemie vertretbar gewesen sein könnten. Die Landesregierung hätte dies regeln müssen, "um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder möglich zu machen".
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Das Leben war für Binh Phan (r.) und seine Frau schon vor Covid nicht einfach. Sie hatten zwei Kinder, beide behindert durch Dioxin-Vergiftungen. Dann kam Covid und traf Ho Chi Minh-City, das frühere Saigon, mit Wucht. Binh und seine Frau erkrankten im August 2021. Sie kamen ins Krankenhaus und dort, getrennt voneinander, in Quarantäne. Ihre Kinder blieben zu Hause. Sohn Thien Vu (l.) kümmerte sich um seine Schwester. Aber auch sie infizierte sich. Binnen fünf Tagen starben Mutter und Tochter. Als Binh aus dem Krankenhaus nach Hause kam, nahm er ihre Asche entgegen. Er sagt: "Die Erinnerungen an die beiden werden immer wieder wach, als wäre es gestern gewesen. Unser Leben hat sich nach der Pandemie völlig verändert. Ich kann nach einem Schlaganfall nicht mehr arbeiten, also bleibe ich den ganzen Tag zu Hause." Wie auch sein Sohn Thien Vu. Er verbringt viel Zeit vor dem Altar der Verstorbenen. "Seine Schwester war Thien Vus einzige Freundin und seine einzige Sorge. Als sie starb, war er bei ihr", sagt der Vater. Binh Phan ist ein bescheidener Mann mit bescheidenen Hoffnungen: "Ich wünsche mir nur ein friedliches Dasein mit meinem Sohn."
Geklagt hatte ein 36-Jähriger, der gegen eine Einschränkung der Grundrechte vor dem Gesundheitsministerium in Dresden demonstrieren wollte. In der Vorinstanz am sächsischen Oberverwaltungsgericht hatte er keinen Erfolg.