Die CDU-Spitze will die Partei bei der am heutigen Donnerstag beginnenden Vorstandsklausur laut Medienberichten auf die Gewinnung neuer Wähler einschwören, ohne die Stammklientel zu vergrätzen. In der Beschlussvorlage räumt die Parteispitze ein, dass sie mit dem Ergebnis von 33,8 Prozent bei der Bundestagswahl vom Herbst unzufrieden ist. "Es wird daher mehr denn je entscheidend darauf ankommen, die eigenen Stammwähler zu binden und neue Wähler hinzuzugewinnen", zitiert die "Financial Times Deutschland" (FTD) aus dem Papier. Die Partei müsse aber programmatisch weiterentwickelt und den Stammwählern dies erläutert werden.
Merkel: "Da hat sich was verändert"
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte den Öffnungskurs gegen parteiinterne Kritik am fehlenden konservativen Profil. Man müsse immer um möglichst breite Wählerschichten ringen, "das bedeutet natürlich auch, den gewachsenen Anteil von Wechselwählern zu erreichen", sagte die Parteivorsitzende dem "Handelsblatt". Zur Realität der Gesellschaft gehöre heute, "dass der Teil derer, die ihr ganzes Leben lang dieselbe Partei wählen, abnimmt", sagte Merkel. "Da hat sich was verändert."
Bei der Suche nach neuen Wählern hat die CDU auch die SPD-Klientel im Blick. "Wenn die SPD nach links rückt, sich verabschiedet von der Idee einer Volkspartei, dann sind wir für enttäuschte Sozialdemokraten da", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Donnerstag im ZDF. In die gleiche Richtung zielt offenbar der Entwurf der "Berliner Erklärung", die die CDU-Führung während der Klausur verabschieden will: "Wir wollen bisherige Wählerinnen und Wähler der SPD für uns gewinnen, die vom Linksruck dieser Partei und der zunehmenden Bereitschaft zu Bündnissen mit der Linken enttäuscht sind, steht dort laut "Bild".de.
Stammwählerschaft steht nicht länger im Zentrum
Gröhe zufolge will die Union aber auch Wähler zurückgewinnen, die bei der Bundestagswahl FDP gewählt haben, um zu verhindern, dass die große Koalition fortgesetzt wird. "Dabei spielt unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik eine besonders wichtige Rolle", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Im Grünen-Spektrum solle die CDU "mit einer überzeugenden Umwelt- und Klimaschutzpolitik zusätzliche Wähler (...) gewinnen". Die konservative Stammwählerschaft stehe nicht im Zentrum des Bemühens, schreibt das Blatt. Gröhe sagte, ältere Unionsanhänger wüssten "sehr genau, dass Politik für ihre Kinder und Enkel den heutigen Lebensbedingungen gerecht werden muss".
Zuvor hatte bereits der Leiter der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, dargelegt, dass es der CDU mehr bringe, neue Wählergruppen zu erschließen, als auf die alten zu setzen. Er trittt auf der Klausur als Referent auf und hält die Kritik konservativer CDU-Politiker an Führungsstil und Ausrichtung der Parteivorsitzenden Merkel für realitätsfern. Neben Jung kommen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann als Gäste.
Steuerstrukturreform bleibt erklärtes Ziel
Auch Unionsfraktionsvize Michael Meister hält die interne Kritik an Merkel nicht für angebracht. "Am Führungsstil der Kanzlerin gibt es überhaupt nichts zu kritisieren. Sie hat diesen Stil, seit sie Parteivorsitzende ist", sagte er. "Sie macht das ja nicht ohne Erfolg." Zugleich forderte er die Kritiker auf, sich auf der Klausurtagung einzubringen, und sprach sich für einen offenen Umgang mit ihnen aus. "Es muss am Ende ein Teamspiel erfolgen", mahnte er.
Merkel will auf der Klausur die CDU - analog zum Koalitionsvertrag - auf das "Ziel" einer Steuerstrukturreform 2011 festlegen, allerdings abhängig von den Rahmenbedingungen, wie die "FTD" berichtet. In der Beschlussvorlage heiße es weiter, die CDU habe 2010 die Bürger entlastet und "Dieser Weg wird auch 2011 fortgesetzt". Zugleich werde festgehalten: "Die wirtschaftliche Entwicklung, die daraus resultierenden steuerlichen Einnahmen für die öffentlichen Haushalte und die notwendige strukturelle Haushaltskonsolidierung geben den Rahmen für die steuerliche Entlastung vor."
Ähnlich hatte sich Merkel bereits in einem am Mittwoch verbreiteten Interview des "Handelsblatts" geäußert. Die FDP reagierte darauf erfreut: "Das klare Bekenntnis von Bundeskanzlerin Merkel unterstreicht die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages", sagte Fraktionschefin Birgit Homburger der "Frankfurter Rundschau".