Öffnet man das Corona-Dashboard des Robert-Koch-Instituts (RKI), poppt eine Warnung auf: "Während der Feiertage und zum Jahreswechsel ist bei der Interpretation der Fallzahlen zu beachten, dass mit einer geringeren Test- und Meldeaktivität zu rechnen ist", heißt es dort. Die ausgewiesenen Daten im Dashboard und dem Lagebericht bildeten die epidemiologische Lage nur unzureichend ab. Vergangene Woche hatte das RKI bereits darauf hingewiesen, dass die Daten erst ab der zweiten Januarwoche wieder belastbar sein würden. Einen Stichtag konnte das Institut wegen der unterschiedlichen Ferienzeiten in den einzelnen Bundesländern jedoch nicht nennen.
Entspannt sich die Corona-Lage?
Aktuell liegt die Sieben-Tages-Inzidenz bei 205,5. Vor einer Woche vermeldete das RKI 289 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Es sieht so aus, als würde sich die Lage entspannen. Angesichts der Einschränkungen schätzt jedoch auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das aktuelle Corona-Infektionsgeschehen deutlich kritischer ein, als es die Meldezahlen zeigen. Es sei davon auszugehen, dass die tatsächliche Inzidenz in Deutschland derzeit zwei- bis dreimal so hoch sei wie ausgewiesen, sagte er in Berlin.
Derzeit werde daran gearbeitet, eine bessere Datenlage zu bekommen, erläuterte Lauterbach. Die Bundesregierung strebt zügig wieder aussagekräftigere Daten zur Corona-Lage an. Mit dem Robert Koch-Institut und Experten gebe es Gespräche, um die Zahlen zu Beginn des neuen Jahres wieder sehr aktuell zu haben, teilte das Gesundheitsministerium der Nachrichtenagentur DPA mit. Lauterbach sagte, er sei sich sicher, dass zur bereits vorgesehenen Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am 7. Januar "eine solide und für diese Zwecke vollkommen ausreichende Datenlage" vorhanden sein werde.
Weniger Tests, mehr Impfungen
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums erläuterte, gewisse Verzögerungen und weniger tagesaktuelle Zahlen gebe es sonst auch an Wochenenden – insofern sei der Jahreswechsel jetzt ein "etwas verlängertes Wochenende". In den Ferien werde zudem in Schulen nicht getestet. Zur Virus-Eindämmung sei nun letztlich auch nicht die hundertprozentig richtige aktuelle Zahl so entscheidend, sondern dass Schutzmaßnahmen eingehalten und die Impfungen vorangebracht würden.
Die Impfungen ziehen nach gebremstem Andrang über Weihnachten wieder deutlich an. Am Dienstag wurden 608.000 Dosen gespritzt, wie das RKI am Mittwoch bekanntgab. Am Montag waren rund 535.000 Menschen geimpft worden. Zwischen dem 24. und 26. Dezember waren die Impfungen dagegen stark zurückgegangen. Den vollständigen Grundschutz mit der meist nötigen zweiten Spritze haben nun mindestens 59 Millionen Menschen oder 71 Prozent der Bevölkerung. Mindestens 31 Millionen Menschen (37,3 Prozent) haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Der Deutsche Städtetag forderte Bund und Länder auf, ausreichend Impfstoffreserven anzulegen und dauerhaft Impfkapazitäten in den Städten zu gewährleisten. "Die Menschen werden auch im neuen Jahr 2022 Auffrischungsimpfungen benötigen, davon gehen wir fest aus", sagte Präsident Markus Lewe den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Omikron spielt in Norddeutschland große Rolle
Trotz steigender Impfquote appellierte Gesundheitsminister Lauterbach an alle Bürger, Silvester so zu verbringen, dass keine neuen Infektionsketten entstünden. "Bitte feiern Sie in ganz kleiner Runde." Die nach Meldezahlen der Gesundheitsämter ausgewiesenen Fallzahlen unterschätzten die bestehende Gefahr.
Die Zahl der sicher nachgewiesenen und wahrscheinlichen Omikron-Fälle in Deutschland ist erneut gestiegen. 13.129 würden nun dieser neuen Corona-Variante zugeordnet, 26 Prozent mehr als am Vortag, hieß es am Mittwoch auf einer RKI-Übersicht. Die Zahl bezieht sich auf Fälle im November und Dezember, 7632 davon stammen aus der vergangenen Woche.

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Der Anstieg weise relativ sicher darauf hin, dass Omikron einen immer größeren Anteil am Infektionsgeschehen in Deutschland habe, sagte der Modellierer Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität Berlin der DPA. In norddeutschen Städten wie Hamburg und Bremen spiele die Variante schon eine große Rolle. Von den derzeit eingeschränkt aussagekräftigen Corona-Daten solle man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen lassen, das zeige sich in anderen Ländern. "Es kann plötzlich ganz schnell losgehen und dann sehr stark."
Sind kürzere Quarantänezeiten sinnvoll?
Auch in anderen Ländern breitet sich die Omikron-Variante zügig aus. In den Vereinigten Staaten gefährdet das Virus bereits die Wirtschaft. Wegen Personalengpässen mussten etwa zahlreiche Flüge ausfallen. Die Gesundheitsbehörde CDC hatte angesichts dessen eine Verkürzung der Quarantäne-Zeit empfohlen. Statt zehn müssen positiv Getestete nur noch fünf Tage in Quarantäne. Aus epidemiologischer Sicht spricht laut CDC zudem dafür, dass die meisten Ansteckungen in einem frühen Krankheitsstadium stattfinden.
In Deutschland gilt eine 14-tägige Quarantänepflicht, wenn jemand Kontakt zu eienr mit Omikron infizierten Person hatte. Zu einer verkürzten Quarantänezeit äußerte sich das RKI auf Anfrage zurückhaltend. Generell würden alle Empfehlungen fortwährend überprüft und bei Bedarf angepasst. "Wir können aber generell nicht spekulieren, ob, wann und in welche Richtung Empfehlungen verändert werden."
Nach Informationen des "Spiegel" prüft Gesundheitsminister Lauterbach derzeit, inwieweit die Quarantänezeit verkürzt werden könnte. Auch in Deutschland besteht die Sorge, dass die kritische Infrastruktur durch Omikron und Personalengpässe lahmgelegt werden könnte. Das Thema wird auch vom Expertenrat diskutiert, wie der "Spiegel" unter Berufung auf Regierungskreise berichtet. Zudem könnte das könnte auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 7. Januar eine Rolle spielen. Im Vorfeld hatten sich Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für eine Anpassung offen gezeigt.