Änderung des Infektionsschutzgesetzes Corona-Lockerungen: Welche Regeln ab dem 20. März noch gelten sollen

In einer Fußgängerzone in München liegt eine FFP2-Maske am Boden. Im Hintergrund gehe unscharf zwei Passanten weg
In Deutschland soll die FFP2-Maskenpflicht in vielen Bereichen fallen – doch die Lockerungen der Corona-Regeln sind umstritten
© Karl-Josef Hildenbrand / DPA
Die Infektionszahlen schießen weiter in die Höhe, ein Inzidenz-Rekord jagt den nächsten. Trotzdem sollen ab Sonntag weitreichende Lockerungen gelten. Nicht nur für die Opposition kommt das zu früh.

Fast 300.000 Neuinfektionen am Tag, eine bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 1700: Trotzdem soll ab Sonntag, den 20. März ein Großteil der Corona-Maßnahmen wegfallen. Das hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten bereits im Februar beschlossen. Die Bundesregierung folgt damit dem Lockerungskurs vieler europäischer Länder.

Bleiben sollen "Basisregeln", denen der Bundestag am Freitagvormittag zugestimmt hat. Der Bundesrat will sich in einer Sondersitzung am Freitag abschließend mit dem neuen Infektionsschutzgesetz befassen. Konkrete Beschlüsse für das weitere Vorgehen im Frühjahr wurden bei Beratungen von Scholz mit den Länderchefs am Donnerstag nicht gefasst.

Für viele Länder kommen die Lockerungen allerdings zu früh – sie wollen das neue Infektionsschutzgesetz nicht mittragen und eine Übergangszeit bis zum 2. April ausnutzen. Doch nicht nur aus den Bundesländern kommt Kritik– Umfragen zufolge sorgen die geplanten Lockerungen auch in der Bevölkerung für Kopfschütteln.

Masken- und Testpflicht nun die Ausnahme

Die Gesetzespläne sehen nur noch wenige allgemeine Vorgaben zu Masken und Tests in Einrichtungen für gefährdete Gruppen vor.

In Einrichtungen für gefährdete Menschen, also unter anderem in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen, gilt weiterhin strikte Maskenpflicht. Auch im öffentlichen Nahverkehr, in Fernzügen und im Flugzeug bleibt die Pflicht zum Tragen einer FFP2- oder medizinischen Maske bestehen.

Ähnlich für Tests. In Kliniken und Pflegeheimen sowie in Schulen und Kita muss weiterhin ein Negativnachweis vorgelegt werden.

Außerdem plant die Bundesregierung einem Bericht zufolge, die Frist für kostenlose Corona-Schnelltests zu verlängern. Zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und dem Bundesfinanzministerium sei im Gespräch, die Finanzierung der sogenannten Bürgertests durch den Bund für mindestens vier weitere Wochen zu gewährleisten, berichtete das Portal "Business Insider".

Für regionale "Hotspots" kann es jedoch weitergehende Beschränkungen geben. Die Länder sollen zusätzliche Maßnahmen ergreifen können – aber erst dann, wenn das Landesparlament "die konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage" in einer "konkret zu benennenden Gebietskörperschaft" feststellt. Dies kann eine Kommune, eine Region oder – laut Bundesgesundheitsministerium – auch ein ganzes Bundesland sein.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Homeoffice-Pflicht endet

Die bislang geltende Homeoffice-Pflicht entfällt zwar mit der Neuregelung. "Arbeitgeber können aber weiterhin im Einvernehmen mit den Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice anbieten, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen und diese im Interesse des betrieblichen Infektionsschutzes liegt", heißt es in der Verordnung. Dies gelte zum Beispiel bei der Tätigkeit in Großraumbüros.

Um neue Corona-Ausbrüche rechtzeitig erkennen zu können, sollen die Betriebe zudem prüfen, ob auch in der Übergangszeit weiterhin allen in Präsenz Beschäftigten wöchentlich ein Testangebot unterbreitet wird. Die Arbeitgeber müssen zudem weiterhin über die Risiken einer Covid-Erkrankung und die Impfmöglichkeiten informieren und die Immunisierungen während der Arbeitszeit ermöglichen.

Viele Bundesländer wollen nicht mitziehen

Die meisten Länder wollen aber den Großteil der Auflagen weiter gelten lassen – zunächst bis zum Ablauf einer Übergangsfrist am 2. April.

In Bayern beschloss das Kabinett am Dienstag, dass es bis 2. April bei den bisherigen 2G- und 3G-Zugangsregeln und Maskenpflichten auch in Schulen oder im Handel bleiben soll. Auch Baden-Württemberg will die Übergangsfrist nutzen. Thüringen, Sachsen und Brandenburg wollen von der Regelung ebenfalls Gebrauch machen. Berlin und das Saarland wollen die bisherigen Maßnahmen bis 31. März beibehalten.

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Mecklenburg-Vorpommern hatte die Beibehaltung der Auflagen bereits angekündigt. In Hamburg soll laut Gesundheitsbehörde die jetzige Verordnung am Freitag unverändert verlängert werden. In Niedersachsen will die Landesregierung im Laufe der Woche eine Übergangsverordnung vorstellen, die bis 2. April gelten soll. Auch Nordrhein-Westfalen plant nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur, die mögliche Übergangsregelung bis zum 2. April zu nutzen. 

Lockerungen und Hotspot-Regeln unter scharfer Kritik

Angesichts immer neuer Infektionsrekorde stoßen die geplanten Lockerungen von vielen Seiten auf heftige Kritik.

"Als Reaktion gibt die Regierung nahezu alle Regelungen ab, die die Inzidenzen beherrschbar machen könnten", sagte Linke-Politiker Ates Gürpinar. Bei Hotspots sei es praxisfern, durch Landesregierung und Landtag spezifische Maßnahmen für einzelne Landkreise oder kreisfreie Städte festzulegen. In der vom Bund vorgesehen Form handele es sich um eine "Hotspot-Regelungs-Verhinderungsregelung".

"Es ist ein absolutes Novum in der Geschichte, dass 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten dieser Bundesregierung in Protokollerklärungen sagen, dass es so nicht geht", sagte CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge. Die Koalition habe nicht geklärt, wann genau eine Kliniküberlastung drohe. Dies ist das von der Ampel vorgesehene hauptsächliche Kriterium dafür, dass die Länder selbst für Hotspots bestimmte Schutzmaßnahmen beschließen können. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war der Ampel-Regierung einen "Alleingang" vor. Er schade "dem Gesundheitsschutz unserer Bürger".

Die Ärzteschaft ist ebenfalls unzufrieden mit den Plänen der Ampel-Koalition. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, kritisierte kurz vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag, dass nur beispielhaft aufgeführt werde, ab wann die Länder schärfere Maßnahmen erlassen können. Das werde "zwangsläufig zu einem bundesweiten Flickenteppich unterschiedlicher regionaler Regelungen führen. Das verunsichert die Bevölkerung unnötig", beklagte Reinhardt in der "Rheinischen Post". Reinhardt bezeichnete es aber grundsätzlich als richtig, Schutzmaßnahmen zurückzufahren. Anders als bei vorherigen Infektionswellen drohe den Krankenhäusern trotz hoher Infektionszahlen derzeit keine Überlastung.

Mehrheit hält Lockerungen für verfrüht

Auch etwas mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland hält die geplanten Corona-Lockerungen für verfrüht. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Forsa-Instituts für das RTL/ntv-Trendbarometer hervor. Demnach sagten 52 Prozent der Befragten, dass ihnen das Wegfallen der meisten bisherigen Maßnahmen zu früh komme.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die geplanten Neuregelungen indes erneut verteidigt. Es handele sich um einen "schweren Kompromiss", sagte der SPD-Politiker am Freitag im Bundestag bei der abschließenden Beratung.

DPA · AFP
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