In Kreuth herrschte am Mittwoch eitel Sonnenschein. Bei prachtvollem Winterwetter kam der stellvertretende CSU-Chef Horst Seehofer an und strahlte die wartenden Journalisten schweigend an. Streit? Schnee von gestern, "das ist doch vorbei", sagt Seehofer lächelnd. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos musste sich im Auto gedulden, bis Seehofer den Platz vor den Fernsehkameras endlich räumte. Dann mahnte auch er die Union zum Schulterschluss - und rempelte die Schwesterpartei CDU nur ein kleines bisschen an.
"Streit hat Nebel über unseren Machtwillen gelegt"
Der langwierige Streit über die Gesundheitsprämie und anderes "hat einen Nebel über unseren Machtwillen gelegt", sagte Glos. In den Umfragen ist der Höhenflug der Union vorbei. Das letzte Jahr sei so mäßig gelaufen, dass dieses Jahr besser werden müsse, stellte Glos fest. Vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen müsse jetzt Burgfrieden herrschen, denn die Wahlen seien auch "Vehikel für einen Machtwechsel in Berlin", so Glos. In Kreuth werde die CSU "Zeichen setzen für die gesamte Union".
Weil Burgfrieden nicht gerade nach grundsätzlicher Einigkeit und Friede, Freude, Eierkuchen klingt, gibt CSU-Chef Edmund Stoiber am Rande des Kreuther Treffens die Parole aus: "Nur gemeinsam sind wir stark." Um dieses Ziel zu erreichen, kündigte er an, dass es andere Entscheidungsprozesse geben werde. Meinungsverschiedenheiten werde es immer geben, so Stoiber, "aber wir werden diese Diskussionen auf jeden Fall schneller intern beenden als es bisher der Fall war".
Auch im winterlichen Kreuth ist die Flutkatastrophe in Asien ein Thema, ein gesamtgesellschaftliches sogar, und Glos glaubt, dass parteipolitische Streitereien doppelt schlecht ankommen würden. Statt "Watschn" auszuteilen, stellte sich Glos staatsmännisch sogar hinter den Bundeskanzler: Die Hilfe für die Flutopfer sei richtig. Deutschland und die anderen Industriestaaten müssten alles tun, um die Not zu lindern und beim Wiederaufbau zu helfen. Die Kritik des CDU-Haushaltspolitikers Dietrich Austermann an der Hilfe auf Pump wies Glos zurück: Die Finanzierung sei zwar noch offen, "aber das ist nichts, wo man Opposition anmelden kann, ohne alle Fakten zu kennen".
Nur wenig erinnerte bei diesem Auftakt an den viel beschworenen Geist von Kreuth - an 1976, als Franz Josef Strauß die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufgekündigt hatte, oder an 2002, als Glos den CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber offiziell zum Kanzlerkandidaten der Union vorgeschlagen hatte. Nur verhalten pochte Glos auf die Eigenständigkeit und den Geltungsanspruch der erfolgreichen bayerischen Volkspartei: "Wir sind nicht nur die Speerspitze der Opposition, sondern ein Stück auch Motor der Union", sagte er.
Ratschläge, keine Kritik
Die Vorwürfe gegen die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wiederholte er nur in abgeschwächter Form und verpackt in Komplimente. Glos hatte Merkel jüngst vorgeworfen, sie solle ihre Teamfähigkeit verbessern. Dazu meinte er nun: ihre Teamfähigkeit "ist steigerungsfähig. Meine auch". Stoiber reagierte auf das Vorpreschen seines Parteikollegen lediglich, dass keiner die Teamfähigkeit der CDU-Vorsitzenden bezweifelt habe. "Das sind wohlmeinende Ratschläge, die man sich gegenseitig gibt, aber keine Kritik", so Stoiber gutmütig.
Für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, die von führenden CSU-Politikern als Stimmungstest für die Chancen Merkels auf die Kanzlerkandidatur der Union gewertet werden, zeigte sich Stoiber zuversichtlich. Es gebe überhaupt keine Anzeichen, dass die Wahlen für die CDU desaströs verlaufen könnten. Er sei überzeugt, dass in Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers die Wahl für die CDU gewinnen werde. Auch in Schleswig-Holstein habe die CDU Chancen, die Wahl zu gewinnen.