Hessens schwarz-gelbe Landesregierung amtiert seit einem Jahr ungefährdet und mit satter Mehrheit, doch trotzdem kriselt es. Ausgerechnet den erfahrensten Ministern Volker Bouffier und Karlheinz Weimar, die seit elf Jahren unter Ministerpräsident Roland Koch (alle CDU) dienen, bläst der Wind ins Gesicht. Die Opposition sieht deutliche Zeichen, dass das Regierungspersonal sich in diesen langen Jahren abgenutzt hat.
Bouffier, der dienstälteste Landesinnenminister in Deutschland, hat sich Ärger mit Besetzungen im Polizeiapparat eingehandelt - im Landespolizeipräsidium, in Nordhessen, bei der Bereitschaftspolizei. Sogar Rechtsbruch hielt die Opposition dem Minister vor, weil er ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ignoriert habe. Bouffier wies den Vorwurf zurück. Mehrfach gingen die Beförderungen an CDU-Mitglieder. "Politik nach Gutsherren-Art" bemängeln SPD, Grüne und Linke.
Finanzminister Weimar, auch er dienstältester aller deutschen Kollegen, nahm lange den Sturm nicht wahr, der sich um vier zwangspensionierte Steuerfahnder zusammenbraute. Nun sieht er sich einem Untersuchungsausschuss ausgesetzt. Eingestehen musste Weimar, dass seine Finanzämter bei Michael Wolski nur sehr ungenügend hingeschaut haben. Der Frankfurter Rechtsanwalt soll Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. Auf Weimars Schultern häufen sich außerdem seit elf Jahren immer neue Haushaltsdefizite.
Vielleicht hängen die Pannen mit der langen Regierungszeit derselben CDU-Mannschaft um Koch seit 1999 zusammen. Im Kern regiert Koch immer noch mit der Gruppe ehemaliger Jung-Unionisten, die sich Anfang der 80er Jahre zur "Tankstelle" zusammengeschlossen hatten. Sie haben die Macht erreicht, einige haben ihre Ämter aber wieder verloren: Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung, Kultusministerin Karin Wolff, zuletzt Ex-Europaminister Volker Hoff. Übrig geblieben sind neben Regierungschef Koch noch Bouffier, Weimar und Sozialminister Jürgen Banzer.
Kochs Beinahe-Niederlage von 2008 (36,8 Prozent) und das maue Wahlergebnis von 2009 (37,2 Prozent) haben die Erneuerung der hessischen CDU nicht befördert. Der Ministerpräsident hat sich im vergangenen Jahr ebenfalls Schnitzer geleistet, so beim Eklat um den Hessischen Kulturpreis. Doch noch ist keine Alternative zu Koch in Sicht, auch wenn die Wahl Ende 2013 schon am Horizont auftaucht.
Bouffier (58) dürfte für einen Kronprinzen mittlerweile zu alt sein. Banzer oder Umweltministerin Silke Lautenschläger konnten die Partei bislang nicht von sich überzeugen. Innenstaatssekretär Boris Rhein scheint zwischen Ministerium und dem Posten des Frankfurter Oberbürgermeisters zu schwanken. Finanzstaatssekretär Thomas Schäfer sticht zwar manchmal im Haushaltsausschuss seinen Chef aus, ist aber noch nicht Minister.
Auf Rücktritte angesichts der Pannen hofft selbst die Opposition nicht, zumal der Koalitionspartner FDP loyal zu den CDU-Ministern steht. Doch Koch könnte sich zu Personalwechseln gezwungen sehen, um rechtzeitig die Weichen für 2013 zu stellen.