Der politische Abwasch der Woche Johnny Depp, Island, Steuern und die Maut...

Ein isländischer Vulkan lässt in Europa die Flugzeuge schweigen und Westerwelle verrät der "Bravo", dass er auf Johnny Depp steht. Zeit für den Abwasch.

Als der Isländer sich noch damit begnügte, sein und unser Geld zu verbrennen, verursachte das nicht einen Bruchteil jener Rauchentwicklung, die dieser Tage den Flugverkehr halb Europas zum Erliegen bringt. Diese Isländer, dürfte sich auch die Bundeskanzlerin gedacht haben, deren Rückkehr von ihrer viertägigen USA-Reise infolge der subarktischen Vulkanfackelei von widrigen Umständen begleitete wurde. Statt wie geplant pünktlich Freitag um halb vier in Berlin-Tegel zu landen, musste die Maschine der Kanzlerin im 2310 Kilometer entfernten Lissabon landen. Damit erging es ihr nur unwesentlich (77 Kilometer) besser als ihrem norwegischen Amtskollegen Jens Stoltenberg, der am Freitag ebenfalls aus den USA heimkehren wollte und statt im heimatlichen Oslo im spanischen Madrid strandete. Luftlinie 2387 Kilometer entfernt.

Zum Zeichen seiner koalitionären Verbundenheit könnte nun eigentlich der FDP-Chef und Vizekanzler, Guido Westerwelle, in seiner Eigenschaft als Außenminister den isländischen Botschafter in Berlin einbestellen, um ihm die deutsche Feinstaubverordnung unter die verrußte Nase zu halten oder auf die deutsche Lufthoheit zu pochen. Macht er natürlich nicht. Das Kontingent an Freundlichkeiten hat die FDP in dieser Woche schließlich schon mit der Vorstellung ihres eigenen Steuerkonzeptes ausgeschöpft. Zur Freude des Koalitionspartners enthält dies statt der bislang geforderten drei Steuerstufen nunmehr ganze fünf. Und statt der bislang unfinanzierbaren Entlastung um 20 Milliarden Euro geht es nur noch um unfinanzierbare 16 Milliarden Euro.

Vermutlich wird erst die Steuerschätzung Anfang Mai alle Entlastungsphantasten endgültig auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Der Sinkflug jedenfalls hat längst begonnen. "Umfaller" wurde Westerwelle diese Woche schon gescholten.

*

Vielleicht werden mediale Archäologen eines Tages feststellen, dass ausgerechnet aus dieser dritten Aprilwoche des Jahres 2010 eine jener rarer Quellen stammt, die gänzlich ohne das Westerwell'sche ceterum censeo "einfach, niedrig und gerecht" auskommen. Name der Quelle: "Bravo". Doch, doch, ganz recht. "Unser Außenminister steht total auf Johnny Depp!", hat er höchstpersönlich in der "Bravo" enthüllt. Und, hey, immerhin ist der Guido damit der erste deutsche Politiker überhaupt, der dem Zentralorgan der Pubertanten ein Interview gegeben hat. Zwischen dem "Dr.-Sommer-Team" und der Bravo-Foto-Lovestory zeigt der Außenminister der Bundesrepublik auf drei kreischbunten Seiten nicht nur "sein Büro", "sein Auto", "sein Flugzeug", sondern obendrein sich "so privat wie nie". Dazu hält er ein XXXL-Poster von "Alice im Wunderland" in seinen Händen - sodass unweigerlich ein sehr, sehr schlimmer Verdacht aufkeimt: Ob sich die Redaktion in den folgenden Ausgaben nun mit einem zehnteiligen Guido-Starschnitt revanchiert?

*

Abgesehen von seiner puren Existenz ist das vielleicht Erstaunlichste an dem "Bravo"-Interview der Ton. Der ist wider Erwarten nämlich nicht anbiedernd. Sicher, der Partykeller wird erwähnt und dass die Bravo für seine Aufklärung zu spät kam. Doch freimütig bekennt Westerwelle, dass er mit Miley Cyrus ("Das weiß ich jetzt nicht") nichts anzufangen weiß. Seine Stars hießen damals Suzi Quatro ("in ihrer Lederkluft") oder ABBA ("Wir waren total begeistert") - für die Leser allesamt Protagonisten einer frühen Vorzeit, in der wohl auch diese Typen Bach und Händel die Download-Charts beherrschten.

Liberale Botschaften verabreicht Westerwelle eher subkutan: "Jeder muss wissen: Wer sich nicht an-strengt, macht nicht denselben Weg, wie jemand, der sich anstrengt." Das ist jenseits hektischer Effekt-Hascherei, sondern ganz im Gegenteil: ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit in der politischen Vorfeldarbeit. Zwar dürfte die Kernzielgruppe der "Bravo" den Ausgang der Mai-Wahlen in NRW kaum wesentlich beeinflussen, aber irgendwann ist auch der letzte Pubertant zum Wahl-berechtigten mutiert - und dann schlägt Guidos große Stunde.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Es ist eben ein stetes Auf und Ab in diesem verdammt schnelllebigen Poltikbetrieb. Wer wüsste das besser als Peter Ramsauer. Das muss man mit Würde tragen, in seinem Fall das Amt des Verkehrsministers. Da ist ja immer was los. Und meist heißt das nichts Gutes. Da konnte er zwar eben noch eine alte und überflüssige Schilderverodnung seines Vorgängers kassieren. Dann musste er den Ländern und Kommunen verklickern, dass sie die Schlaglöchern auf ihren Straßen mal schön alleine flicken dürfen. Dafür hat Ramsauer en passant dafür gesorgt, dass die kommenden zehn Winter garantiert Schnee- und Eis-frei und auch sonst sehr mild werden, weil er eine Kommission ins Leben rief, die für mehr Streusalzkapazitäten sorgen soll, die dann garantiert nicht benötigt werden. Dann schaute noch der alte Bekannte PkW-Maut um die Ecke, diesmal vom Bundesumweltamt ins Rennen geschickt, die er, Ramsauer, wieder einfangen musste, weil davon nichts im Koalitionsvertrag stehe und die Kanzlerin das Thema hasst. Und dann, ja dann kamen Islands Rauchsignale.