Hinter verschlossenen Türen soll es "hart und kontrovers in der Sache" zugegangen sein, in der Öffentlichkeit gibt man sich mehr oder weniger diplomatisch. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein türkischer Amtskollege Mesüt Cavusoglu haben in Berlin eine Stunde lang den eskalierenden deutsch-türkischen Streit diskutiert. Beide Seiten wollen keine nachhaltige Verschlechterung der Beziehungen, hieß es danach. Der Dialog soll fortgesetzt werden. "Wir werden meinen Freund Sigmar Gabriel in der Türkei empfangen", kündigte Cavusoglu sogar an.
Kommt also allmählich alles wieder in Lot in den deutsch-türkischen Beziehungen? Zweifel sind angebracht, manchmal entsteht der Eindruck, die beiden Regierungsvertreter würden von unterschiedlichen Dingen sprechen. Bei einigen Themen setzen die Minister unterschiedliche Schwerpunkte. So äußerten sich Sigmar Gabriel und Mesüt Cavusoglu über ...
... das deutsch-türkische Verhältnis
Sigmar Gabriel: "Wir waren uns einig, dass keine der beiden Seiten ein Interesse daran hat, die Beziehungen nachhaltig zu beschädigen." Dies gelinge nur durch das Fortsetzen des Dialogs.
Mesüt Cavusoglu: "Die Türkei will die Freundschaft zu Deutschland fortsetzen, aber Deutschland muss sich entscheiden und die Türkei wird entsprechend reagieren. Auch Freunde und Alliierte könnten bei vielen Themen unterschiedlicher Meinung sein, doch die feindselige Haltung müsse beendet werden.
... über "rote Linien"
Sigmar Gabriel: "Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf." Weitere Nazi-Vergleiche dürfe es nicht geben.
Mesüt Cavusoglu: "In Deutschland sind viele Politiker, die Presse als Ganzes und die lokalen Behörden sehr, sehr negativ und sehr hart und sehr anti-türkisch. Wir bemerken sogar eine islamophobe Stimmung. Das sehen wir als unannehmbar an ... ein sehr gefährlicher Trend." Die deutschen Medien sollten ihre "schwarze Propaganda" gegen die Türkei stoppen.
... die Absage von Auftritten türkischer Politiker:
Sigmar Gabriel äußerte sich dazu nach dem Gespräch heute öffentlich nicht. In den vergangenen Tagen hatte der Minister eingefordert, dass Maß und Mittel bei solchen Auftritten einzuhalten seien. "Wer bei uns reden will, muss uns nicht nach dem Mund reden, aber er muss unsere Regeln respektieren."
Mesüt Cavusoglu betonte, die Türkei sei "sehr besorgt" über die jüngsten Absagen von Auftritten türkischer Politiker. Deutschland dürfe diese Praxis nicht wiederholen. Er übergab Gabriel eine Liste von weiteren geplanten Terminen.

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... den Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel:
Sigmar Gabriel bezeichnet die unbefristete Untersuchungshaft als "falsch und unangemessen. Wir setzen uns mit Nachdruck für seine Freilassung ein." Es sei nun wichtig, konsularischen Kontakt zu Deniz Yücel zu bekommen.
Mesüt Cavusoglu: "Es ist Sache der türkischen Justiz, im Fall des deutsch-türkischen Journalisten zu entscheiden."
... einen Auftritt Erdogans in Deutschland
Sigmar Gabriel äußerte sich zu diesem Thema öffentlich nicht. Laut "Bild"-Zeitung soll er intern Auftrittsorte vorgeschlagen haben. Diese Vorschläge werde Cavusoglu nun an Erdogan weiterleiten, hieß es.
Mesüt Cavusoglu sagte, er habe mit Gabriel über einen Auftritt des türkischen Präsidenten in Deutschland und welche Veranstaltungsorte in Frage kommen könnten gesprochen. Deutschland werde für die Sicherheit Erdogans sorgen. Wo genau die Veranstaltung stattfinden soll, darüber wurde nichts gesagt. Er beschwerte sich über einen "Erdogan-Hass" in Deutschland.
... das Referendum zum Präsidialsystem in der Türkei
Sigmar Gabriel: "Wir dürfen es nicht zulassen, dass politische Auseinandersetzungen aus der Türkei nach Deutschland importiert werden."
Mesüt Cavusoglu sagte, Deutschland solle bezüglich des Referendums in der Türkei keine Partei ergreifen.
Was noch?
Anders als unter Diplomaten üblich gab es keine gemeinsame Erklärung vor der Presse; beide Minister äußerten sich getrennt. Cavusoglu mahnte noch an, militante Terroristen dürften sich nicht frei in Deutschland bewegen, ohne genaue Zusammenhänge zu nennen. Das Gespräch mit Gabriel war nicht der eigentliche Grund für den Aufenthalt Cavusoglus in Berlin, sondern der Besuch des türkischen Standes auf der Reisemesse ITB. Der deutsche Außenminister kam seinem Amtskollegen zudem mit dem Besuch im Hotel Adlon entgegen. Eine diplomatische Geste. Üblich wäre ein Gespräch im Auswärtigen Amt gewesen.