Anzeige
Anzeige

Regierungskrise in Thüringen Die besondere Beziehung von Ramelow und Lieberknecht

Thüringens damalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (l.) und der damalige Linken-Fraktionschef Bodo Ramelow
17. Juli 2014: Thüringens damalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) spricht im Plenarsaal des Thüringer Landtages mit dem damaligen Linken-Fraktionschef Bodo Ramelow
© Martin Schutt / DPA
Bodo Ramelow (Die Linke) schlägt Christine Lieberknecht (CDU) als Übergangsregierungsschefin vor. Noch ein Tabubruch in Thüringen? Ansichtssache. Unsympathisch sind sich die beiden jedenfalls nicht.

Im Thüringer Politikchaos soll es nun die Vorgängerin richten: Christine Lieberknecht. Fast zwei Wochen nach dem Wahldebakel schlug der ehemalige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) die von ihm im Jahr 2014 im Amt abgelöste CDU-Politikerin als Übergangsregierungschefin vor. Mit einer "technischen Regierung" soll die 61-Jährige binnen 70 Tagen eine Landtagsneuwahl organisieren.    

Alles klar, keine weiteren Fragen. Außer: warum? Warum Lieberknecht? Warum, ausgerechnet!, eine CDU-Politikerin nach dem Tabubruch von Thüringen? 

Die Schützenhilfe von Bodo Ramelow

Nun: Dafür dürfte es durchaus taktische Gründe geben. Ramelow unterbreitet der CDU auf dem Weg zu raschen Neuwahlen ein Angebot, dass die Christdemokraten kaum ablehnen können – um nur einen Aspekt seines Vorstoßes zu nennen. Ganz uneigennützig dürfte der Vorschlag nicht sein. Aber auch ein persönliches Motiv ist denkbar oder sogar wahrscheinlich: Ramelow kann gut mit Lieberknecht und Lieberknecht gut mit Ramelow.

Beide kennen sich fast drei Jahrzehnte – noch als Lieberknecht Ministerin war und Ramelow Gewerkschaftsfunktionär. Und beide pflegen ein über die Parteigrenzen hinweg respektvolles Miteinander. Sie war zu seiner Hochzeit geladen, er war Gast auf ihrem 60. Geburtstag.

Vor allen Dingen aus ihrer Zeit als Landtagspräsidentin hatte Lieberknecht ein gutes Verhältnis zu dem Linken-Politiker, der damals Oppositionsführer im Landtag war. Bei der Wahl zur Ministerpräsidentin 2009 sprang Ramelow ihr nach zwei erfolglosen Wahlgängen zur Seite und sorgte mit seiner Kandidatur im dritten Wahlgang dafür, dass sich die Reihen schlossen. Man könnte auch sagen: Ramelow gab Lieberknecht Schützenhilfe.

Nie war von einem der beiden ein abfälliges Wort über den anderen zu hören. "Ich schätze sie als klare Demokratin", sagt Ramelow der Deutschen Presse-Agentur. Sie und ihn verbinde, "Gesicht gegen braunen Ungeist zu zeigen" - und vielleicht auch, dass beide Protestanten sind. Und Lieberknecht?

Die CDU-Frau und Pastorin hält sich am Dienstag zunächst zurück und äußert sich nicht über eine mögliche, zeitlich befristete Rückkehr in die vorderste Linie der Landespolitik. "Die Personalie steht doch erst zur Diskussion, wenn es zwischen der Linken und der CDU Einvernehmen über Neuwahlen gibt", heißt es aus ihrem direkten Umfeld. Ramelow ist dennoch überzeugt, dass sich Lieberknecht nicht verweigert – auch wenn er mit ihr erst am Dienstagmorgen – 7.00 Uhr, wie er berichtet – gesprochen hat. Sie habe gesagt, wenn ihr Einsatz helfe, den "Gordischen Knoten" zu durchschlagen, sei sie dazu bereit.

Ministerin, Partei- und Fraktionsvorsitzende, Landtagspräsidentin und Ministerpräsidentin

Christine Lieberknecht blickt auf eine lange politische Karriere in Thüringen zurück: Die CDU-Politikerin war schon Ministerin, Partei- und Fraktionsvorsitzende, Landtagspräsidentin und Ministerpräsidentin. Wie viele ostdeutsche Politiker, die nach der Wiedervereinigung Karriere machten, ist die 61-Jährige Theologin. Manchen gilt die aus Weimar stammende Pastorin mit ihrem eher präsidialen Stil und ihren Hosenanzügen als regionales Pendant zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Von 2009 bis 2014 führte Lieberknecht als Regierungschefin in Thüringen eine schwarz-rote Koalition an. Sie war damals die erste Frau an der Spitze eines ostdeutschen Bundeslandes.

Lieberknecht war schon zu DDR-Zeiten in die damalige Blockpartei CDU eingetreten, gehörte aber kurz vor dem Mauerfall zum Reformflügel der Partei. Wie Merkel ist Lieberknecht die Tochter eines Pfarrers. Als ältestes von vier Kindern wurde sie am 7. Mai 1958 in Weimar geboren. Die Politik versucht die Theologin mit der Gelassenheit des "Christenmenschen" zu nehmen. Sie gilt als bodenständig ("Ich bin Thüringerin durch und durch"). Ihr wird ein guter Instinkt für das rechte Maß und für Stimmungen nachgesagt. Sie ist mit einem Theologen verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und ist inzwischen auch Großmutter.

Mike Mohring war einst ein innerparteilicher Gegenspieler von Christine Lieberknecht

"Wir müssen erreichen, dass wir zu Neuwahlen kommen - und zwar alle erhobenen Hauptes", begründet Ramelow seinen Vorschlag. Derweil beraten CDU, Linke, SPD und Grüne hinter verschlossenen Türen über den Schachzug, der nach Ansicht von Beobachtern vor allem die CDU unter Druck setzt.

Manche sprechen in den Landtagsgängen sogar von einem "vergiftetem Angebot". Bisher hat sich die einstige Thüringer Regierungspartei CDU geschüttelt, wenn der Begriff Neuwahl fiel. Umfragen prognostizieren der Partei dann einen Absturz auf 13 Prozent. Umso vorsichtiger agiert ihr Noch-Fraktionschef Mike Mohring – übrigens einst ein innerparteilicher Gegenspieler von Lieberknecht, was Ramelow ebenfalls zusagen könnte – der sich nach dem Harakiri der Thüringer CDU in den vergangenen Tagen nun vom Fraktions- und Parteivorsitz zurückziehen will.

"Wir begrüßen, dass Bodo Ramelow vorgeschlagen hat für so eine Regierung, Christine Lieberknecht, vorzuschlagen", sagte Mohring. Ramelows Vorschlag greife aber zu kurz. "Wir finden, um diese Stabilität zu erreichen, braucht es eine Regierung, die vollständig besetzt und parteiübergreifend von berufenen Experten bestellt wird", sagte Mohring.

fs DPA AFP

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel