CDU will mit SPD regieren Knock-out in Hessen – ein alarmierendes Signal für die Grünen

Die Bundesvorsitzenden der Grünen, Ricarda Lang und Omid Nouripour.
Die Bundesvorsitzenden der Grünen, Ricarda Lang und Omid Nouripour: Das Ende von Schwarz-Grün in Hessen muss auch der Bundespartei zu denken geben.
CDU-Ministerpräsident Boris Rhein will in Hessen nicht mehr mit den Grünen regieren. Eine Absage, die auch die Bundespartei sorgen muss.

An diesem Freitag, rund fünf Wochen nach den Landtagswahlen in Hessen, ist "gut" plötzlich nicht mehr gut genug. Im Landtag in Wiesbaden sagt der hessische Ministerpräsident Boris Rhein zwar an die Grünen gerichtet in sein Mikrofon: "Wir haben zehn gute Jahre hinter uns." Doch ist dieser Satz für den CDU-Politiker ein Abschied: Er strebt keine erneute Regierung mit den Grünen an. Das ist das Ergebnis der wochenlangen Sondierungen, an deren Ende nun diese Pressekonferenz steht. Stattdessen wollen die Konservativen mit den Sozialdemokraten einen Koalitionsvertrag verhandeln. 

Es ist das Ende von Schwarz-Grün in Hessen. Und dieses Ende ist eine herbe Niederlage für den bisherigen hessischen Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister Tarik Al-Wazir von den Grünen. 2013 war der heute 52-Jährige einer der Architekten für die erste Regierung aus CDU und Grünen in einem Flächenland, damals unter dem Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Als einer der profiliertesten Pragmatiker seiner Partei sorgte er dafür, dass die schwarz-grüne hessische Dekade funktionieren konnte. Die Zusammenarbeit wurde vielfach als "geräuschlos" beschrieben. Bedenkt man, wie unterschiedlich die beiden Parteien sich im Grundsatz sind, ist das nicht selbstverständlich. Dass es zehn Jahre währte, spricht für sich. 

Umso schwerer wiegt, dass es nun vorbei sein soll. Das muss nicht nur Al-Wazir, sondern auch seiner Bundespartei zu denken geben. Schließlich waren die Grünen wohl nirgendwo sonst weniger "ideologisch" als in Hessen, nirgendwo sonst schmiegten sie sich widerstandsloser auch bürgerlichen Positionen an. Trotzdem wirft der bisherige Koalitionspartner sie nun aus dem gut laufenden Bündnis. Warum?

Der Grund für das Scheitern: offenbar die Migrationspolitik 

Hinweise darauf gibt es bei der Pressekonferenz, auf der die CDU ihre Entscheidung begründet. Es wird deutlich: Besonders bei den  Themen Migration und innere Sicherheit waren der CDU die Schnittmengen mit den Grünen wohl nicht groß genug. Gleichzeitig haben die konservativen Wahlsieger genau diese als zwei der wichtigsten Themen für die neue hessische Regierung ausgemacht. 

Tarek Al-Wazir.
Tarek Al-Wazir: Für den bisherigen grünen Wirtschaftsminister in Hessen ist das Ende von Schwarz-Grün eine herbe Niederlage. 
© Reiner Zensen / Imago Images

Zwar wollen Rhein und die CDU-Fraktionsvorsitzende Ines Claus auch auf Nachfrage nicht verraten, wo genau es in puncto Migration mit den Grünen haperte. Doch das, worauf man sich offenbar mit der hessischen SPD bereits geeinigt hat, lässt Rückschlüsse zu: Man wolle eine "echte Abschiebeoffensive" und habe sich darauf verständigt, keine "neuen Anreize" für die irreguläre Einreise setzen zu wollen. Auch sollen im Integrationsgesetz "konkrete Integrationspflichten" für Zuwanderer festgeschrieben werden. Und man wolle künftig nur noch Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in die Kommunen zuweisen. Die Grünen hingegen seien zwar bis zur "Schmerzgrenze" gegangen, könnten aber in vielen Bereichen diesen "Wandel" nicht mittragen. 

Es ist damit, das könnte man so sagen, offenbar die von der CDU angestrebte Härte in der Migrationspolitik, die den hessischen Grünen zum Verhängnis wurde. Das ist auch für die Bundespartei eine Gefahr. Auch auf die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP steigt der Druck, den Zuzug Flüchtender zu reduzieren. In den vergangenen Monaten hat sich der Diskurs zum Thema Migration deutlich verschärft, auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) gab in einem "Spiegel"-Interview einen merklich härteren Ton vor.  

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

An der Basis hadern viele mit dem Asylkurs

Wie weit können und wollen die Grünen da mitgehen? Die Partei dürfte diese Frage an die Belastungsgrenze führen. Zwar argumentierten zuletzt auch Parteichefin Ricarda Lang und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für eine strengere Migrationspolitik. Es brauche "Steuerung und Rückführung", schrieben sie in einem Gastbeitrag im "Tagesspiegel". "Humanität" könne es "dauerhaft nur in der Ordnung geben".

An der Basis allerdings hadern viele mit dem neuen scharfen Asylkurs der Ampel, im Grundsatzprogramm der Grünen etwa gelten Abschiebungen als "das letzte Mittel". Ende des Monats findet ein Parteitag der Grünen statt, wo diese Fragen heiß diskutiert werden dürften. Auch die Lehren aus der Hessen-Absage könnten dort zur Sprache kommen.  

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour, selbst Hesse, hat die Entscheidung der CDU als "völlig unverständlich" bezeichnet. Es gibt aber auch andere Stimmen, etwa den grünen Finanzminister in Baden-Württemberg. Danyal Bayaz schrieb auf "X", seine Partei müsse sich selbstkritisch fragen, "warum uns einstige Koalitionspartner nicht mehr als moderne Kraft der Veränderung, sondern offenbar mehr als eine Art Belastung in schwierigen Zeiten wahrnehmen." 

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos