Die verheerende Bombardierung Dresdens kurz vor Kriegsende weckt auch nach 60 Jahren noch Emotionen - und wird zudem von Rechtsradikalen politisch missbraucht. Historiker sind uneins, ob die alliierten Luftangriffe auf das barocke Elbflorenz am 13. und 14. Februar 1945, knapp drei Monate vor Kriegsende, angesichts der sich abzeichnenden Niederlage von Hitler-Deutschland militärisch noch nötig waren. Etwa 35.000 Menschen starben im Feuersturm. Rechtsextreme bezeichnen die Bombardements als "alliierte Kriegsverbrechen" und schüren damit Emotionen.
NPD-Abgeordnete sorgten
im sächsischen Landtag kürzlich für einen politischen Eklat. Sie sprachen vom "Bomben-Holocaust" und dem "kaltblütig geplanten industriellen Massenmord" der Alliierten, Äußerungen, die Kommentatoren als Versuch werteten, NS-Verbrechen zu relativieren. Dabei hatten Rechtsextreme schon in den Vorjahren mit gleichen oder ähnlichen Sprüchen das Gedenken an die Opfer der Bombardements erfolgreich für sich ausgenutzt. Wann immer die Junge Landsmannschaft Ostpreußen zum Trauermarsch antrat, standen auch alte Dresdner Spalier und nickten beifällig.
Der Streit um die Bomben auf Dresden macht sich an Stichwörtern wie Zeitpunkt, Tieffliegerangriffen, Phosphorbomben und Opferzahlen fest. Außerdem dreht sich die Debatte um die Frage, ob Dresden wegen der Rüstungsindustrie damals als militärisches Ziel gelten konnte. "Wer das verneint, dem muss ich nur Zünder aus hiesiger Produktion zeigen", sagt Wolfgang Fleischer vom Militärhistorischen Museum der Bundeswehr. Nach Recherchen seines Kollegen Heinz Schulz arbeiteten damals noch 240 Firmen in der Region für die Rüstung.
Für den Einsatz von Tieffliegern und Phosphor
gibt es in Archiven keine Belege. Allerdings liegen zahlreiche Augenzeugenberichte vor. Heinz-Helmut Regensburger, Überlebender des Angriffs und damals elf Jahre alt, kann sich gut vorstellen, dass im allgemeinen Bombenhagel und Feuersturm keine Unterscheidung zwischen Bombensplittern und Geschossen aus Bordwaffen mehr möglich war. Dennoch hält sich die Legende von den Tieffliegern über Dresden eisern. "Manche wollen sogar Gesichter der Piloten gesehen haben, was bei 800 Stundenkilometern gar nicht möglich ist", sagt der Historiker Reiner Pommerin von der TU Dresden.

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Sein Kollege Arnulf Baring (Berlin) bezeichnet den Angriff als "militärisch unnötig", weil die Industriezentren nicht getroffen wurden und "das Dritte Reich Anfang 1945 ohnehin am Ende" gewesen sei. Pommerin hält dagegen. Die Alliierten hätten angesichts der Parole des NS-Regimes vom "Kampf bis zum letzten Mann" auch im Februar 1945 noch mit einem längeren und verlustreichen Kampf gerechnet. Andere stützen diese These mit den hohen Opferzahlen in den letzten Kriegstagen: Wäre Deutschland wirklich am Ende gewesen, ließe sich kaum erklären, warum allein beim Kampf um die Seelower Höhen im Oderbruch im April 1945 noch mehr als 100 000 Soldaten starben.
Im Gegensatz zum Historiker und Buchautor Jörg Friedrich ("Der Brand"), der den Luftangriff vor allem als Attacke gegen die Zivilbevölkerung beschreibt, sehen Pommerin und sein britischer Kollege Frederick Taylor auch militärische Gründe. "Die Angriffe auf ostdeutsche Städte waren vor allem dazu gedacht, die Ostfront zu entlasten", sagt Taylor. Dresden habe als Eisenbahnknotenpunkt für Truppentransporte gen Osten durchaus in Zielplanungen der Militärs eine Rolle gespielt.
Unlängst hat sich Taylor
in Dresden der Diskussion gestellt. Die Stimmung war emotionsgeladen. Taylor erklärte die Entwicklung bis zu den britischen Flächenbombardements und nannte den Angriff auf Dresden "unbarmherzig und kaltblütig". Eine "düster-romantische Sichtweise", die Dresdens Zerstörung als bloßen Racheakt begreife, wies er jedoch zurück. In einem sind sich freilich alle Historiker einig: Am 13. Februar 1945 kehrte der von Deutschland verschuldete Krieg - wie schon zuvor in andere deutsche Städte - nach Dresden in besonders grausamer Form zurück.