EILANTRAG Karlsruhe entscheidet über »Homo-Ehe«

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet heute, ob das Gesetz über die »Homo-Ehe« wie geplant am 1. August in Kraft treten kann. Die unionsregierten Länder Bayern und Sachsen hatten in einem Eilantrag gefordert, das umstrittene Lebenspartnerschaftsgesetz vorerst auszusetzen.

Das Bundesverfassungsgericht verkündet heute sein Urteil über den Eilantrag Bayerns und Sachsens gegen die so genannte Homosexuellen-Ehe. Die beiden unionsregierten Freistaaten wollen mit einer Einstweiligen Anordnung das rot-grüne Gesetz über die Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften vorläufig stoppen. Die Regelung soll am 1. August in Kraft treten. Nach Ansicht Bayerns und Sachsens verstößt sie gegen die im Grundgesetz verankerten besonderen Schutz von Ehe und Familie.

Im Eilverfahren nimmt der Erste Senat im Wesentlichen nur eine »Folgenabwägung« vor und prüft, was gravierender wäre: ein zunächst ausgesetztes Regelwerk später für verfassungsgemäß zu erklären oder ein schon in Kraft getretenes Gesetz in einigen Monaten wieder zu kassieren. Wann im Hauptsacheverfahren über die Normenkontrollanträge - neben Bayern und Sachsen hat auch Thüringen geklagt - verhandelt wird, ist noch offen.

Warnung vor Rechtsunsicherheit

In der mündlichen Verhandlung vor einer Woche hatte Bayerns Justizminister Manfred Weiß (CSU) vor erheblicher Rechtsunsicherheit gewarnt. Würde das zunächst gültige Gesetz später vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt, dann wären bis dahin mindestens einige tausend Lebenspartnerschaften geschlossen. Zwischenzeitlich eingetretene Erbschaften müssten rückabgewickelt, Unterhaltspflichten wieder aufgehoben werden. Bayern Bevollmächtigter Professor Peter Badura sagte, die Nachteile für Homosexuelle hielten sich in Grenzen, wenn das Gesetz für einige Monate aufgeschoben werde.

Die Bevollmächtigte der Stadt Hamburg, die Rechtsprofessorin Heide Pfarr, argumentierte, die Karlsruher Richter müssten bei jedem einzelnen Punkt des Gesetzes prüfen, ob ein Aufschub geboten sei oder nicht. Denn das Ziel des Gesetzes sei die Beendigung der Diskriminierung Homosexueller, nicht ihre Privilegierung. Zusammenlebende Homosexuelle würden bisher rechtlich wie Singles behandelt, nicht wie Paare. Dies greife in ihr Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein.

Die europäischen Nachbarn

Die Frage einer »Homo-Ehe« wird in vielen europäischen Ländern diskutiert. Hier eine Auswahl:

In den NIEDERLANDEN besteht seit 1. Januar 1998 die Möglichkeit der »registrierten Partnerschaft«, im Volksmund »Homo-Ehe« genannt. Die meist gleichgeschlechtlichen Paare erwerben mit der Registrierung im Standesamt beinahe dieselben Rechte und Pflichten wie Verheiratete. Derzeit wird ein Gesetzentwurf vorbereitet, der auch die letzte Lücke schließen soll: Anerkennung voller elterlicher Autorität für beide Partner bei Geburt eines Kindes. Jetzt erwirbt die leibliche Mutter ohne weiteres Elternbefugnisse. Im ersten Jahr der Partnerschaftsregelung, 1998, ließen sich im ganzen Land 4 600 Paare registrieren. Im ersten Halbjahr 1999 meldeten sich noch 1 500 Paare beim Standesbeamten, verglichen mit 2 700 in den ersten sechs Monaten 1998, berichtete das Statistische Amt.

In SPANIEN gibt es bislang nur in den nördlichen autonomen Regionen Katalonien, Aragonien und Navarra Gesetze, die homosexuelle Lebenspartner mit Ehepaaren rechtlich weitgehend gleichstellen. In Navarra dürfen homosexuelle Paare seit Juni auch Kinder adoptieren, in den beiden anderen Regionen ist das nicht möglich. Ein nationales Gesetz scheiterte bislang am Widerstand der regierenden konservativen Volkspartei.

In ITALIEN haben Homosexuelle keine vergleichbaren Rechte, die den jetzt in Deutschland geplanten entsprechen. In einigen Städten wie Florenz und Pisa schließen »progressive« Standesbeamte zwar Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern. Das hat aber lediglich symbolischen Charakter ohne juristische Konsequenzen. Gesetzesentwürfe zu diesem Thema dümpeln schon seit Jahren im römischen Parlament vor sich hin; geschehen ist bislang noch nichts.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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In ÖSTERREICH sind homosexuelle Ehen verboten. Die rechtskonservative Regierung aus ÖVP und FPÖ will daran auch nichts ändern. Zudem sind homosexuelle Beziehungen für Männer unter 18 Jahren verboten. Das »Schutzalter« für lesbische und heterosexuelle Beziehungen liegt bei 14 Jahren.

In GROSSBRITANNIEN gibt es bisher keine Rechtsgrundlage für die Gleichstellung oder Anerkennung homosexueller Paare. Nach dem Durchbruch beim Strafmündigkeitsalter drängen Aktionsgruppen aber auf weitere Reformen. So kämpfen sie für eine Rentengleichstellung für homosexuelle Paare und Zahlungen an den überlebenden Partner im Todesfall. Auch die Abschaffung der Diskriminierung im Steuerrecht und am Arbeitsplatz gehört zu den Forderungen.

In RUSSLAND ist in absehbarer Zeit keine Gleichstellung von schwulen oder lesbischen Paaren mit den Rechten von Ehepaaren zu erwarten. Homosexuelle können sich in Russland zu gesellschaftlichen Organisationen zusammenschließen und frei ihre Meinung äußern, sofern sie nicht gegen die Rechte der traditionellen Mehrheit verstoßen.