Einbürgerungstests "Nur Germanistik-Professoren reinlassen"

In Holland gibt es einen neuen Einbürgerungstest. Dazu gehört, dass sich Einwanderungswillige nackte Niederländerinnen angucken müssen. Die Idee findet auch hier Anhänger - wohl auch, weil die Zielgruppe Moslems sind.

Wer keine knutschenden Schwulenpärchen sehen möchte, braucht bei der niederländischen Einwanderungsbehörde erst gar nicht vorstellig werden. Das ist der neueste Plan aus Den Haag, um die Toleranzgrenzen von Einwanderern auszutesten. Während sich deutsche Politiker derzeit darin überbieten, mehr oder weniger fragwürdige Eignungstests vorzulegen, geht man die Sache mit den Immigranten pragmatisch an.

"In die Niederlande kommen", heißt eine 105-minütige DVD, die sich die Einwanderungswilligen kaufen und ansehen müssen, bevor sie den Einbürgerungstest machen können. Der Film zeigt etwa Frauen mit blanken Brüsten, schmusende Schwulenpaare - eben die typische Palette des Lebens in den Niederlanden.

Einbürgerung in Holland

In den Niederlanden ist in diesem Monat folgende umstrittene Regelung in Kraft getreten: Nicht-EU-Bürger, die in die Niederlande einreisen wollen, um die Staatsbürgerschaft zu erwerben, müssen in der niederländischen Botschaft ihres Heimatlandes einen Test machen. Dabei werden mit einem Sprachcomputer sowohl die Sprachkenntnisse des Bewerbers überprüft als auch sein Grundwissen über das Land: Er muss zum Beispiel wissen, welche Religion der spanische König hatte, gegen den die Niederlande um Unabhängigkeit kämpften. Er muss den Staatsgründer Willem van Oranje auf einem mittelalterlichen Bild identifizieren oder Auskunft geben, was ein Deich ist. Viele der Fragen, bemängeln Kritiker, könnten die meisten Niederländer selbst nicht beantworten.

Wer am Inhalt dieses "Bewerbungsvideos" nichts Anstößiges findet und zudem einen Sprach- und Wissenstest sowie eine 30-minütige Prüfung besteht, der sei im Land "mehr als willkommen", versichert die holländische Immigrationsministerin Rita Verdonk. Das neue Einbürgerungsgesetz ist erst seit wenigen Tagen in Kraft.

Unterstützung bekommt die Politikerin von der niederländischen Organisation Islam und Bürgerrecht: Homosexualität gehöre in Holland nun einmal zur Realität, sagte deren Vorsitzender Mohammed Sini und forderte alle Einwanderungswilligen auf, "die Moderne anzunehmen". Andere dagegen sehen die DVD kritisch. So sagt der Theologe Karel Steenbrink: Der Film könne die religiösen Gefühle von Muslimen verletzen und sei "kein kluger Weg, Menschen in den Niederlanden willkommen zu heißen".

Hierzulande kommt die Idee aus Holland überraschend gut an. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) lobt sie als denkbares Modell für Deutschland und sein Parteikollege Wolfgang Bosbach sieht in dem Film ein ideales Hilfsmittel. "Das Leben in Deutschland sollte so dokumentiert werden, wie es ist", sagte er. Auch Norbert Geis von der CSU, plädierte für den Film. "Man kann ja über das Nacktbaden geteilter Meinung sein, aber man muss akzeptieren, dass es so etwas in Deutschland gibt", sagte er.

Offene Homosexualität ist normal

Als Adressaten dieser Äußerungen führen die Unionspolitiker ganz offenbar Muslime im Sinn, denn so gibt Stephan Mayer, CSU-Innenexperte, zu bedenken, in einigen islamischen Staaten stehe immerhin die Todesstrafe auf Ausdrucksformen, die in Deutschland normal seien. "Dazu zählen beispielsweise sexy Kleidung auf der Love Parade oder offene Homosexualität", so Mayer.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Religion und die damit verbundene Kultur aber dürfe dennoch nicht der Grund sein, die Tests nur bei Muslimen anzuwenden, sagt der Staatsrechtsexperte Peter M. Huber. Die jüngst vorgestellten hessischen und baden-württembergischen Fragebögen dürften nicht nur moslemischen Bürgern vorgelegt werden. "Außerdem sollte sicher gestellt sein, dass die Fragen und Antworten wirklich Auskunft über die Integrationsfähigkeit der jeweiligen Person geben können", sagt Peter M. Huber.

Die Aussagekraft der Einbürgerungstests zweifelt auch der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz an."Wir sollten aus der Einbürgerung keine Führerscheinprüfung machen. Die Fragebogen sind klein kariert, peinlich und peinigend", sagte er der "Welt".

Tests wie in Hessen und Baden-Württemberg sollten rasch zu den Akten gelegt werden, so Wiefelspütz weiter. Denn schon relativ viele "Geburtsdeutsche" seien nicht in der Lage, die in den Tests gestellten Fragen richtig zu beantworten. "Sprache und Bildungsgrad sind natürlich auch ein Stolperstein bei solchen Tests wie in Hessen. Außer natürlich, wir wollen nur noch Germanistik-Professoren einbürgern", sagt Immigrationsexperte und Rundfunkjournalist Utku Pazarkaya zu stern.de.

Erwartungshorizont aufgestellt

Prinzipiell aber habe er zwar keine Schwierigkeiten mit Einbürgerungstests, wohl aber mit den Modellen in Baden-Württemberg und Hessen. "Die halte ich nicht für sinnvoll", so Pazarkaya. "Was die Tests aber leisten, ist, dass sich nun endlich von Seiten des Staats jemand Gedanken darüber gemacht hat, was wir von Einwanderern eigentlich erwarten. Dass gesellschaftliche Spielregeln formuliert wurden, die der Einwanderer somit auch erfährt. Ein Erwartungshorizont."

Niels Kruse