Eklat auf dem CSU-Parteitag Pauli vergiftet Becksteins Start

Für kurze Zeit standen in München alle Uhren still: Gabriele Pauli trat auf dem CSU-Parteitag an das Mikrofon und erinnerte den designierten Ministerpräsidenten Beckstein daran, dass sie etwas "gemeinsam" hätten: den Widerstand gegen Stoiber. Es war ein Eklat. Beckstein reagierte spät - nach seiner Wahl.

Eines wird man Gabriele Pauli nicht nachsagen können: Dass sie keinen Mut besäße. Sie ist da, sie macht sich bemerkbar, auch wenn ihr blanke Verachtung entgegen schlägt. Für ihren bislang spektakulärsten Auftritt hatte sich die Fürther Landrätin einen besonderen Moment ausgesucht. Günther Beckstein, der designierte bayerische Ministerpräsident, hatte gerade seine Bewerbungsrede beendet, das Parteivolk Standing Ovations gespendet. Ingo Friedrich,der Vorsitzende des Parteitags, fragte, ob über die Nominierung Becksteins zum Ministerpräsidenten offen oder geheim abgestimmt werden solle. Niemand meldet sich - außer Pauli.

"Lieber Günther, wir haben eine gemeinsame Geschichte"

"Lieber Günther", begann die 50-Jährige. "Du und ich, wir haben eine gemeinsame Geschichte". Schockwellen durchliefen den Saal mit den rund 1000 Delegierten, es wurde mucksmäuschenstill. Dann erinnerte Pauli daran, dass sie Stoiber nicht allein gestürzt habe. Sondern auch die Fraktion und der "liebe Günther" hätten ihren Teil dazu beigetragen. Sie, Pauli, jedoch werde als "Königsmörderin" bezeichnet, ihr werde der Parteiaustritt nahe gelegt. Das sei nicht akzeptabel - auch wenn sie gelegentlich politische Vorschläge mache, die nicht von allen geteilt würden. Pauli hatte kurz vor dem Parteitag gefordert, Ehen auf sieben Jahre zu begrenzen. Wichtige Vertreter der CSU hatten darauf mit Hohn und Spott reagiert. "Wie kann es sein", fuhr Pauli in Richtung Beckstein fort, "wie kann es sein, dass ich von Dir nun als eine Person bezeichnet werde, die zum Psychiater muss?". Sie forderte Beckstein auf, sich dazu zu äußern. "Ich erwarte keine Entschuldigung. Aber eine Erklärung." Damit beendete Pauli ihren Auftritt - wohl in der Hoffnung, dass Beckstein unmittelbar darauf reagieren werde.

Pauli bietet Beckstein ein persönliches Gespräch an

Doch nichts dergleichen geschah. Vom Podium, auf dem die drei Veranstaltungsleiter sitzen, war ein "die blöde Kuh" zu hören. Vermutlich hatte das Friedrich gesagt, ohne zu bedenken, dass sein Mikro noch offen war. Dann jedoch fuhr Friedrich ungerührt mit dem offiziellen Teil fort. Er fragte noch mal, ob jemand eine geheime Abstimmung über die Nominierung Becksteins wünsche. Als sich ein Delegierter dafür aussprach, wurde dem Wunsch entsprochen. Die Abstimmung begann. Pauli stand damit wieder einmal im Abseits. Auf die Videoleinwände war ihre Ansprache ohnehin nicht übertragen worden. Noch vor dem Parteitag hatte der CSU-Vorstand verabredet, die Rebellin zu ignorieren und zu isolieren. Genau das geschah nun in brutaler Konsequenz. Etwa 20 Minuten später stand das Ergebnis der Abstimmung fest: Die Delegierten hatten Beckstein mit 96,6 Prozent für das Amt des Ministerpräsidenten nominiert. Ein Traumergebnis. Das verschaffte Beckstein die Möglichkeit, sich großmütig zu zeigen. Er trat ans Pult, dankte für das Votum und sagte: "Ich will auch mit kritischen Geistern in der CSU fair umgehen. Ich biete Dir, Gabi Pauli, ein persönliches Gespräch an." Es sei ihm nicht darum gegangen, Pauli als Person herabzusetzen, sagte Beckstein. Auch wenn er von ihren Vorschlägen zum Teil überhaupt nichts halte. Applaus von den Delegierten. Dann beschwor Beckstein die CSU, nun geschlossen in den bayerischen Kommunalwahlkampf zu gehen. Der Aufruf zur Geschlossenheit war in seiner kurzen Ansprache jedoch mehr als eine politische Phrase. Es war eine Aufforderung an Pauli, sich der seiner Führung zu unterwerfen.

"Edmund Stoiber hinterlässt große Schuhe"

Der Landtag wird Beckstein voraussichtlich am 9. Oktober zum Ministerpräsidenten wählen. In seiner Bewerbungsrede hatte der Franke eine versöhnliche Grundsatzrede gehalten, jedoch ohne konkrete Projekte seiner Regierung zu nennen. "Es wird einen Wandel geben, aber keinen Bruch", kündigte Beckstein in seiner Rede an. "Ich mache die Politik weiter, die Bayern an die Spitze gebracht hat." Er habe Respekt vor dem Amt, weil er "die Verantwortung für ein ganzes Land, für unseren geliebten Freistaat" übernehme, sagte er unter großem Beifall der Delegierten. "Edmund Stoiber hinterlässt große Schuhe. Ich traue es mir zu." Was er anders machen will als Stoiber, ließ er offen. Er habe aber einen anderen Stil und setze auf Mannschaftsgeist. Beckstein sagte weiter, nach dem Parteitag werde die CSU mit Geschlossenheit ins Wahljahr 2008 gehen. Bei der Landtagswahl strebe die Partei ein Ergebnis von "50 Prozent plus X" an. "Das ist eine riesige Herausforderung."

Bei der mit Spannung erwarteten Wahl des neuen CSU-Chefs, die für den Mittag auf dem Programm steht, will Beckstein für den bayerischen Wirtschaftsminister Erwin Huber stimmen. Der Niederbayer geht als Favorit ins Rennen gegen Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer und die umstrittene Fürther Landrätin Gabriele Pauli. Nach der Wahl soll Stoiber zum Ehrenvorsitzenden der Partei ernannt werden.

mit Reuters