Energiewende Undurchsichtige Energie-Preisbildungen

Es ist mit dem Sprit wie mit dem Strom: Im Grunde weiß der Bürger nicht so recht, wie die Preise zustande kommen und wie er welche Energiequelle möglicherweise quersubventioniert.

Beim Sprit ist in diesen Tagen der Preisanstieg auf Rekordniveau noch relativ leicht nachzuvollziehen. In den arabischen Ölförderländern nehmen die Unruhen zu und der Osterreiseverkehr steht vor der Tür. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) lässt einmal mehr Preisabsprachen kartellrechtlich prüfen - und nach Ostern wird sich der Reiseverkehr vorerst wieder beruhigen.

Komplizierter ist es bei den Strompreisen. Das neue Energiekonzept der Bundesregierung dürfte nicht unwesentlich davon beeinflusst werden, wie viel Atomausstieg und Umstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien voraussichtlich kosten werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nennt schon mal die Eckdaten: Auch künftig müsse die Energieversorgung sicher, umweltfreundlich und nicht zuletzt bezahlbar sein. Atom-Gegner und -Befürworter bringen sich daher mit ihren Kostenberechnungen für die Meinungsfindung der verbleibenden zwei Monate des Atom-Moratoriums in Position.

Die "Bild"-Zeitung zitiert Energieexperten von Union und FDP, die von bis zu vier Milliarden Euro zusätzliche Kosten im Jahr für den Ausstieg aus der Kernenergie ausgehen. Brüderle erwartet Mehrkosten von bis zu zwei Milliarden. Begründet wird dies unter anderem mit stärkerer Förderung von Windparks und Gebäudesanierungen sowie einem beschleunigten Netzausbau. Hinzu komme weniger Brennelementesteuer.

Diesen Zahlen hält Greenpeace eigene Berechnungen entgegen. Strom aus Wind- und Wasserkraft ist danach heute schon wesentlich billiger als Strom aus Kohle und Atom. Nach einer Greenpeace-Studie erhielt nämlich die Atomstromproduktion von 1970 bis 2010 staatliche Förderung in Höhe von 186 Milliarden Euro, die Steinkohleverstromung kam auf 165 Milliarden und Braunkohle auf 57 Milliarden Euro. Die erneuerbaren Energien hätten im selben Zeitraum gerade mal 28 Milliarden Euro erhalten. Der Verbraucher zahle also Stromkosten, die auf der Stromrechnung gar nicht auftauchten.

Auch wenn die Zahlen heute andere sind, so oder so ähnliche Rechnungen stellten Grüne und Greenpeace schon bei der ersten Runde des Atomausstiegs um die Jahrtausendwende an. Und auch diese Zahlen sind für den Bürger letztlich kaum nachprüfbar. Offensichtlich aber ist, dass in der aktuellen Debatte um eine schnelle Energiewende einmal mehr die Frage des Endlagers für radioaktiven Müll kaum Beachtung findet. Dabei lauern hier immense finanzielle und ökologische Risiken, wie das desolate Atommülllager Asse in den vergangenen Tagen wieder zeigte.

Der Vorsitzende der Entsorgungskommission (ESK) und Röttgen-Berater Michael Sailer forderte in einem dpa-Gespräch bei der Neubewertung der Atomenergie eine Regelung auch für die Atommüll-Endlagerung. Es sei absolut notwendig, "dass wir in den nächsten 20, 25 Jahren zu einem genehmigungsfähigen Projekt für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle kommen". Dabei müssten mehrere Standorte geprüft werden. Denn der Salzstock im niedersächsischen Gorleben könnte sich am Ende doch noch als ungeeignet herausstellen. Umweltschützer und Opposition befürchten bereits jetzt, Atommüll könne dort nicht sicher gelagert werden.

Bundestagspräsident Norbert Lammert mahnte bei der Kanzlerin ein Energiekonzept an, das auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens basiert und auf 40 Jahre angelegt ist. Energiepolitik vertrage vierjährige Kurskorrekturen nur sehr schwer, sagte er der "Wirtschaftswoche". Die Entscheidung zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke im vergangenen Jahr "war auch ein Fall von Hochmut".

Um diesen breiten gesellschaftlichen Konsens auszuloten, trifft sich an diesem Montag die von der Regierung eingesetzte Ethik-Kommission zu ihrer ersten Klausur. Es ist nicht zu erwarten, dass hier in erster Linie über Preisbildung nachgedacht wird. Doch auch hier sind Neupositionierungen zu beobachten. So waren die beiden großen Kirchen, zumindest was ihre Kirchenfürsten betrifft, bei der Laufzeitverlängerung nicht mit sonderlich kritischen Stimmen zu vernehmen. Nun aber scheinen sie erkannt zu haben, dass Atomstrom eigentlich Teufelszeug ist.

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Ruppert Mayr, DPA