Nach der Einigung von Bund und Ländern auf einen Zeitplan für die Energiewende ist eine heftige Debatte um die Kosten entbrannt. Der designierte FDP-Chef Philipp Rösler lehnte am Samstag das Finanzieren eines Atom-Ausstiegs über Steuererhöhungen ab, die Grünen warnten vor Panikmache wegen steigender Strompreise. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich für den Erhalt von Jobs in energieintensiven Industrien einsetzen.
Merkel und die Ministerpräsidenten hatten sich am Freitag darauf verständigt, dass Bundestag und Bundesrat bis Mitte Juni die nötigen Gesetzesänderungen für eine Abkehr von der Atomkraft beschließen sollen. Seit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima plant die schwarz-gelbe Bundesregierung einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien.
In ihrem wöchentlichen Video-Podcast sagte Merkel, Deutschland müsse sich darauf einstellen, schneller aus der Atomenergie auszusteigen und trotzdem eine vergleichbare Energieversorgung zu schaffen. "Denn wenn wir Kernenergie aus dem Ausland importieren, haben wir ja auch nichts für die Sicherheit getan." Merkel betonte, für die energieintensive Industrie müsse dafür gesorgt werden, dass nicht die Arbeitsplätze dahin abwanderten, "wo man sich nicht so um Klimaschutz kümmert".
Die Kosten und die Finanzierung der geplanten Energiewende sind weiter umstritten: Wie die "Bild"-Zeitung berichtete, schätzen Experten von Union und FDP die Kosten eines raschen Atom-Ausstiegs auf rund 16 Milliarden Euro bis 2015.
Rösler sagte der "Passauer Neuen Presse", mit den Liberalen werde es keine Steuererhöhung zur Finanzierung des Umstiegs auf erneuerbare Energien geben. Auch der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle (CDU), schloss Steuererhöhungen aus. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt laut "Spiegel" eine Erhöhung der Kernbrennstoffsteuer für die Konzerne prüfen, um durch einen Atom-Ausstieg entstehende Lücken zu schließen.
Die Grünen warnten vor Panikmache bei der Strompreis-Entwicklung. Die "hysterische Debatte" müsse dringend mit konkreten Zahlen versachlicht werden, forderte die Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn in der "Rheinpfalz am Sonntag". Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", nach Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums werde jeder Haushalt nur mit 1,50 Euro pro Monat zusätzlich belastet.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wandte sich gegen einen überstürzten Atom-Ausstieg. Deutschland sei "nicht irgendein Land, sondern ein bedeutender Industriestandort", sagte Steinmeier dem "Hamburger Abendblatt". Er warnte vor einem Wettlauf um das frühestmögliche Datum für den Atomausstieg. Er halte es für möglich, diesen "bis 2020 zu organisieren". Die Grünen wollen 2017 das letzte Atomkraftwerk stilllegen.
Der Plan der Bundesregierung, bis Ende Juni ein Gesetz zur Energiewende auf den Weg zu bringen, stieß im Parlament auf Widerspruch: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte der "Welt", zwar sei vereinbart, im Mai mit den Kommissionen für Reaktorsicherheit und Ethik abschließend zu beraten. Wie lange der Bundestag anschließend für das Gesetzgebungsverfahren brauche, "entscheiden wir dann, wenn der Gesetzentwurf vorliegt". SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann kritisierte, nach dem bisherigen Zeitplan blieben für die Bundestagsberatungen höchstens fünf Tage Zeit, um vier Gesetze zu beraten. Dies sei "schlicht nicht möglich