Ermittlungen gegen Oberst Klein Fraglich, ob der Luftangriff strafbar war

Die Bundesanwaltschaft hat den Luftangriff von Kundus geprüft und stellte fest: In Afghanistan herrsche ein "nichtinternationaler bewaffneter Konflikt".

Außenstehenden mag das Zwischenergebnis der Bundesanwaltschaft bei ihrer Prüfung des Luftangriffs von Kundus wenig spektakulär erscheinen: Bei den Auseinandersetzungen in Afghanistan handele es sich um einen "nichtinternationalen bewaffneten Konflikt", teilten die obersten Strafverfolger am Freitag mit. Für den Fall von Bundeswehr-Oberst Georg Klein freilich könnte diese Feststellung juristisch von großer Bedeutung sein. Denn der Begriff "bewaffneter Konflikt" stammt aus dem Völkerstrafgesetzbuch, und nach dessen Vorschriften könnte fraglich sein, ob der von der Bundeswehr angeforderte NATO-Luftangriff in Kundus strafbar war.

Zwar hat die Bundesanwaltschaft jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen Klein und einen Flugleitoffizier wegen des "Verdachts des Verstoßes gegen das Völkerstrafgesetzbuch" eingeleitet. Ob diese Ermittlungen in eine Anklage münden werden, bleibt aber abzuwarten. Die entscheidende Frage ist, ob der Angriff mit bis zu 142 Toten, darunter viele Zivilisten, im Rahmen eines "bewaffneten Konflikts" nicht womöglich zu rechtfertigen war. Das Völkerstrafgesetzbuch jedenfalls stellt hohe Hürden für eine Strafbarkeit auf - deutlich höhere als das Strafgesetzbuch (StGB), demzufolge der Kundus-Angriff nach Experten-Meinung durchaus als fahrlässige Tötung bewertet werden könnte.

Ermittlungen gegen die Soldaten wegen eines Tötungsdelikts, das im StGB unter Strafe gestellt ist, wären Sache der zuständigen Staatsanwaltschaft gewesen. Doch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte den Fall der Bundesanwaltschaft vorgelegt, die laut Gerichtsverfassungsgesetz für Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zuständig ist. Die oberste Anklagebehörde unterzog den Fall Kundus daraufhin einer eingehenden Prüfung, ehe sie nun das Ermittlungsverfahren gegen Klein und den zweiten Offizier einleitete - übrigens das erste auf Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches seit dessen Inkrafttreten am 26. Juni 2002.

Die Rechtfertigungsmöglichkeiten, die das Völkerstrafgesetzbuch für Kriegshandlungen wie den Luftangriff von Kundus bieten könnte, werden unter anderem beim Blick in Paragraf elf des Gesetzes deutlich. Dort heißt es: "Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (...) mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht, (...) wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft."

Ein Beschuldigter müsste also die Tötung vieler Zivilisten "sicher erwartet" haben, um den Tatbestand dieser Vorschrift zu erfüllen. Zu Einzelheiten ihrer rechtlichen Bewertung schweigt derzeit die Bundesanwaltschaft - dazu will sie sich erst nach Abschluss ihrer Prüfung äußern. Zu den Gründen für die Einleitung des Verfahrens erläuterte die Behörde, die Informationsmöglichkeiten über das tatsächliche Geschehen vom 4. September 2009 im Rahmen ihrer bisherigen Prüfungen seien ausgeschöpft. Nur ein Ermittlungsverfahren biete die Möglichkeit, Zeugen zu vernehmen und den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewährleisten.

AFP
Richard Heister, AFP