Schneiderhan und Wichert im Kundus-Ausschuss Die Gefeuerten feuern zurück

Haben der Ex-Generalinspekteur und der frühere Staatssekretär ihre Minister ausreichend über den Angriff von Kundus informiert? Wolfgang Schneiderhan und Peter Wichert sagen "eindeutig ja" und greifen die Hardthöhe an. Die Opposition sieht den Verteidigungsminister schwer belastet.

Georg Klein wurde noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen, zwei andere Protagonisten der Kundus-Affäre betraten dagegen am Donnerstag die große Berliner Politbühne. Im Gegensatz zum Oberst mussten der frühere Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und der Ex-Staatssekretär Peter Wichert nicht abgeschirmt werden. Bei ihren Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss zu dem von dem deutschen Oberst angeordneten verheerenden Luftangriff von Kundus war der Rummel dafür umso größer.

Denn mit Spannung war erwartet worden, ob sie Belastendes gegen ihren ehemaligen Chef Karl-Theodor zu Guttenberg auspacken würden. Wer wusste wann was, lautet die zentrale Frage. Und: Hat der Verteidigungsminister über die Einzelheiten des Luftangriffs in Afghanistan Bescheid gewusst, als er den Angriff im November als "militärisch angemessen" bezeichnete? Bei dem Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster wurden bis zu 142 Menschen getötet, unter ihnen zahlreiche Zivilisten. Der Ausschuss will nun klären, ob der vom deutschen Oberst Georg Klein befohlene Angriff in Nord-Afghanistan rechtmäßig war.

Guttenberg jedenfalls widerrief später sein Urteil, der Angriff sei "militärisch angemessen" und begründete seine Meinungsänderung damit, dass ihm wichtige Berichte nicht zur Verfügung gestellt worden waren. Der Grund, weshalb Schneiderhan und Wichert gehen mussten. Immerhin hat Guttenberg inzwischen öffentlich eingeräumt, dass Schneiderhan ihm die Informationen nicht bewusst vorenthalten habe.

Minister "eindeutig" umfassend beraten

Schneiderhan ist allerdings der Meinung, dass man dem Minister gar nichts vorenthalten habe - weder bewusst noch unbewusst. Ähnlich äußerte sich Wichert. Es sei die Aufgabe von Stäben und Abteilungen, Informationen zu verdichten, erklärte Schneiderhan am Donnerstag vor dem Ausschuss. Zur Frage, ob die Minister - neben Guttenberg auch sein Vorgänger Franz Josef Jung - so beraten wurden, dass sie urteilsfähig waren, könne er sagen, dass das stets der Fall gewesen sei. Schneiderhan wörtlich: "Die Frage, ob ich die Minister so beraten habe, dass sie entscheidungsfähig waren, ja, diese Frage beantworte ich eindeutig mit ja."

Zudem prangerte der frühere Generalinspekteur Indiskretionen im Verteidigungsministerium an - und machte diese für seine Entlassung verantwortlich. Die Weitergabe eines Bundeswehr-Feldjägerberichts an die "Bild"-Zeitung habe letztlich auch Jung und Wichert das Amt gekostet. Guttenberg hatte Schneiderhan und Wichert entlassen, weil er von dem Feldjägerbericht, aufgrund dessen er sein Urteil revidierte, erst aus der Zeitung erfahren hatte. Schneiderhan hatte die Verantwortung dafür übernommen, sein Handeln aber damit erklärt, dass der Feldjägerbericht schon in einen dem Minister bekannten Bericht der internationalen Schutztruppe Isaf eingeflossen sei.

"Den Taliban haben sie eine Freude gemacht"

Vor dem Ausschuss sagte er, die Indiskretion habe nichts zur Aufklärung der Hintergründe des Bombardements beigetragen, sondern nur das Ziel gehabt, einzelnen Personen zu schaden. Welche Leute auch immer dafür verantwortlich gewesen seien, sie hätten dem Ansehen Deutschlands und der militärischen und politischen Führung der Bundeswehr erheblichen Schaden zugefügt. "Den Taliban haben sie eine Freude gemacht."

Er hoffe, dass im Verteidigungsministerium nach den Verantwortlichen für "diesen ungeheurlichen Vorgang" gefahndet werde. Zur Qualität des Feldjägerberichts sagte Schneiderhan, er sei damit "zutiefst unzufrieden" gewesen, weil er mehr Vermutungen und Spekulationen als Tatsachen enthalte. Schneiderhan machte an mehreren Stellen der Vernehmung deutlich, wie sehr ihn die Affäre getroffen hat. Dass ihm Vorwürfe gemacht würden, die aus seiner Sicht glatt gelogen seien, sei für ihn "emotional nicht so einfach" gewesen.

Die ominöse "Gruppe 85"

Schneiderhan bestätigte auch die Existenz der ominösen "Gruppe 85" im Verteidigungsministerium. Er sei aber nicht in die Gruppe eingebunden gewesen. Zuvor hatte "Spiegel Online" berichtet, dass im Ministerium "eigens eine Arbeitsgruppe aus mindestens fünf Beamten gegründet wurde, um die Ermittlungen der Nato" zu dem Luftangriff zu beeinflussen. Die "Gruppe 85" - laut Schneiderhan identisch mit der "Wichert-Runde" - sollte durch eine Kommunikationsstrategie im Fall Kundus ein "positives Bild auch des Erfolgs" möglich machen und Kritik an der Bundeswehr gezielt verhindern. Sie wurde demnach schon am 9. September ins Leben gerufen, fünf Tage nach dem Luftangriff. Geleitet wurde sie dem Bericht zufolge von Wichert.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Wichert wies im Ausschuss den Vorwurf zurück, die Gruppe habe etwas vertuschen wollen. "Das ist blanker Unfug", sagte er. Ziel sei aber gewesen zu verhindern, dass der Untersuchungsbericht "einseitig" ausfalle. Der Ex-Staatssekretär machte deutlich, dass er seine und Schneiderhans Entlassung für völlig unangebracht hält und warf Guttenberg Rufschädigung vor. Er habe "überhaupt keinen Grund" für einen Rücktritt gesehen, sagte Wichert. Es habe "keine Defizite in der Information gegeben".

Opposition sieht Guttenberg belastet

Oppositionspolitiker mutmaßen, dass Guttenberg mit den Entlassungen von Schneiderhan und Wichert von eigenen Fehlern ablenken wollte. Der Verteidigungsexperte der Grünen, Omid Nouripour, sieht Guttenberg belastet. Die Aussagen Schneiderhans weckten sehr stark den Eindruck, dass die Entlassung von Schneiderhan und Wichert nicht angemessen gewesen sei, meinte er.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte der "Berliner Zeitung": "Wenn Guttenberg im Zusammenhang mit einer zentralen Führungsentscheidung gelogen haben sollte, ist er als Verteidigungsminister nicht mehr tragbar." Linken-Politiker Jan van Aken warf Guttenberg nach der Sitzung vor, gelogen zu haben. Der Minister soll am 22. April und damit kurz vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor dem Ausschuss aussagen.

Ermittlungen gegen Oberst Klein?

Nach einem Bericht der "Stuttgarter Zeitung" ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein und seinen Flugleitoffizier wegen des Anfangsverdachts auf ein Kriegsverbrechen. Klein hatte den Luftangriff am 4. September 2009 nahe Kundus befohlen. Die Bundesanwaltschaft habe beide als Beschuldigte zur Vernehmung in der kommenden Woche vorgeladen, so das Blatt.

DPA
ben/DPA/AFP