Keine 24 Stunden nach Bekanntgabe der Ablösung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping hat der bisherige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck offiziell dessen Nachfolge angetreten. Im Beisein von Kanzler Gerhard Schröder überreichte Bundespräsident Johannes Rau am Freitag in Berlin Scharping die Entlassungs- und Struck die Ernennungsurkunde.
Vereidigung am kommenden Donnerstag
Struck soll in einer Sondersitzung des Bundestages am Donnerstag nächster Woche vereidigt werden. Er will nach eigenen Angaben als erstes die deutschen Soldaten in Afghanistan besuchen und anschließend Truppenbesuche in Bosnien, Mazedonien und im Kosovo machen.
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»Geschlossene Zustimmung« der Fraktion
Zuvor hatte Schröder die zu einer Sondersitzung aus dem Urlaub gerufene SPD-Bundestagsfraktion über die Gründe für seine Entscheidung informiert. Wie Struck anschließend mitteilte, fand die Entscheidung des Kanzlers die »geschlossene Zustimmung« der Fraktion.
Auch Stieglers Bestätigung am Donnerstag
Strucks vom Fraktionsvorstand nominierter Nachfolger Ludwig Stiegler soll am Donnerstag unmittelbar vor der Sondersitzung des Bundestages gewählt werden. Eine Wahl bereits am Freitag war wegen der nicht eingehaltenen Zweitagesfrist für die Einberufung der Sitzung nicht möglich.
Ausschließlich politische Gründe
Vor den Abgeordneten machte Schröder ausschließlich politische Gründe für die Entlassung Scharpings geltend. Regierungssprecher Uwe Karsten Heye, der an der Sitzung teilgenommen hatte, erklärte anschließend, für Schröder sei es wichtig festzustellen, dass seine Entscheidung keine sachliche oder rechtliche Bewertung der Honorar-Affäre darstellt. Der Kanzler habe im übrigen deutlich gemacht, »wie sehr er die fachliche Arbeit von Scharping geschätzt« habe. »Wahlzeiten sind keine Zeiten, in denen Fairness und Ausgewogenheit Konjunktur haben«, sagte Heye. Schröder hätte vermeiden wollen, dass durch die Form der zu erwartenden Auseinandersetzung das Regierungsamt beschädigt wird. Eine faire Auseinandersetzung war nicht zu erwarten.
Verabschiedung Scharpings wohl mit Zapfenstreich
Unklar war zunächst noch die Form der Amtsübergabe im Verteidigungsministerium. Struck, der unmittelbar nach seiner Ernennung die Amtsgeschäfte aufnahm, wollte die Einzelheiten in einem Gespräch mit Scharping klären. Nach Angaben von Verteidigungssprecher Ernst Joachim Cholin soll dabei auch geklärt werde, wie Scharping verabschiedet wird. Scheidende Verteidigungsminister werden in der Regel mit einem Großen Zapfenstreich geehrt. Von der Truppe hatte sich Scharping bereits am Donnerstag mit einem Tagesbefehl verabschiedet, in dem er sich für die Loyalität der Soldaten und für ihre Bereitschaft zu außergewöhnlichen Leistungen bedankte.
Samstag erster öffentlicher Auftritt
Seinen ersten öffentlichen Auftritt im neuen Amt wird Struck bereits am (morgigen) Samstag bei den Gedenkveranstaltungen zum 58. Jahrestag des 20. Juli 1944 haben, zu denen auch der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski erwartet wird. Am Abend stehen ein feierliches Rekruten-Gelöbnis mit Reden Kwasniewskis und Strucks auf dem Programm.