Erwin Sellering auf Anti-Atom-Demo Der Ministerpräsident und die Castor-Gegner

Einige tausend Atomkraftgegner haben am Samstag in Greifswald gegen den bevorstehenden Castor-Transport ins Zwischenlager Nord bei Lubmin protestiert. Mit dabei: Ministerpräsident Sellering und der pommersche Bischof Abromeit

Bei kaltem Nieselregen haben am Samstag in Greifswald Tausende Atomkraftgegner gegen den bevorstehenden Castor- Transport ins Zwischenlager Nord bei Lubmin demonstriert. Sie forderten zugleich einen Verzicht auf die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Der Transport mit vier Castoren nach Mecklenburg- Vorpommern soll Anfang der Woche im südfranzösischen Cadarache starten. 

Die Kundgebung machte die Spaltung der SPD/CDU-Koalition Mecklenburg-Vorpommerns in der Atomfrage deutlich. Unter den Demonstranten war auch Misterpräsident Erwin Sellering (SPD) mit seiner Frau Britta. Derweil befand sich Innenminister Lorenz Caffier (CDU) im Lagezentrum, um nach CDU-Angaben für Sicherheit zu sorgen. Es sei ungewöhnlich, dass zwei Mitglieder der Landesregierung auf unterschiedlicher Seite an einer Demonstration beteiligt seien, sagte CDU-Landesgeneralsekretär Vincent Kokert. Sellering habe "die Sicherheit nicht unbedingt erhöht".

Bei der Kundgebung gab es keine Zwischenfälle. Die Veranstalter sprachen von rund 3500 Teilnehmern. Die Polizei nannte während der Demonstration die Zahl von 2000. Die Demonstranten machten auf dem Protestmarsch durch die Innenstadt mit Sprechchören und Trommeln ihrem Unmut über die Atompolitik der Bundesregierung Luft. Unterstützt wurden die regionalen Atomkraftgegner von Demonstranten aus dem Wendland, Hamburg und Berlin.

"Ich möchte, dass der Atommüll woanders hinkommt. Ich sehe die große Gefahr, dass Lubmin immer mehr zur atomaren Müllhalde verkommt", sagte Sellering der Nachrichtenagentur dpa. Der Bund dürfe sich nicht über langfristige Vereinbarungen hinwegsetzen. Eine von der Linkspartei geforderte Beteiligung Mecklenburg-Vorpommerns an der Klage gegen die beschlossene Laufzeitverlängerung lehnte Sellering allerdings ab. Die SPD/CDU-Koalition sei sich darin nicht einig.

Zu den Demonstranten gehörte auch der Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche, Hans-Jürgen Abromeit. Er kritisierte, dass Atomkraftwerke betrieben würden, obwohl es kein Endlager gebe. "Fakten zu schaffen und die Verantwortung für den strahlenden Müll ungeklärt zu lassen, ist ein Verbrechen an unseren Kindern." Dem Bund warf Abromeit "Wortbruch" vor, weil er den Transport mit Abfällen aus westdeutschen Forschungsanlagen genehmigt habe. Das Zwischenlager war ursprünglich für die stillgelegten DDR-Kernkraftwerke erbaut worden.

CDU-Generalsekretär Kokert bezeichnete die Ost-West-Diskussion über den Atommüll als "peinlich". Der Bund sei vertraglich verpflichtet, die Abfälle aus Frankreich zurückzunehmen, und er verfüge nur über ein einziges Zwischenlager, nämlich das in Lubmin. Der Landtagsbeschluss gegen die Einlagerung von Atommüll aus anderen Bundesländern habe sich ausschließlich gegen Brennelemente aus Kraftwerken gerichtet, betonte Kokert. Jetzt gehe es um Abfälle aus bundeseigenen Forschungsanlagen.

Über welchen Weg genau der Atommülltransport aus Südfrankreich kommt, ist noch unklar. Atomkraftgegner rechnen mit einer Route durch Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Im Gegensatz zum Castor- Transport Anfang November sind jetzt im Südwesten keine größeren Aktionen wie Gleisblockaden geplant. Der Sprecher der Südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen, Andreas Raschke, begründete dies auch mit dem Winterwetter. "Das wäre bei den Temperaturen viel zu gefährlich für die Leute", sagte er der dpa.

Am Montag (17.00 Uhr) soll es am Karlsruher Hauptbahnhof und am Mittwoch (ab 10.00 Uhr) im rheinland-pfälzischen Wörth-Maximiliansau Mahnwachen geben. Proteste sind auch in Magdeburg und Erfurt geplant. Entlang der Bahnstrecke zwischen Greifswald und Lubmin planen Atomkraftgegner Sitzblockaden, Mahnwachen und Lichterketten. Zudem wollen sie am Montag vor das Wahlkreisbüro von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Stralsund ziehen.

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Martina Rathke, DPA

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