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Nur ein Tröpfchen Flüssiggas Umweltverbände sagen, die Bundesregierung plane zu viele LNG-Terminals. Aber was ist da dran?

LNG-Spezialschiff "Höegh Esperanza"
Die "Höegh Esperanza" wird in Wilhelmshaven angelegt. Das Spezialschiff ist die schwimmende Plattform für das gelieferte Flüssiggas
© Sina Schuldt / DPA
Mit mehreren LNG-Terminals will die Bundesregierung Lücken bei der Energieversorgung vorbeugen. Aktivisten kritisieren das – scheinbar begründet. Doch deren Statistiken sind kaum haltbar.

Deutsche Klima- und Umweltverbände sind entsetzt: Recherchen zufolge will die deutsche Bundesregierung bis 2026 zahlreiche LNG-Terminals aus dem Boden stampfen. Von elf berichtet das New Climate Institute, die Deutsche Umwelthilfe rechnet mit zwölf Anlaufstellen für flüssiges Erdgas. So sollen pro Jahr insgesamt 73 Milliarden Kubikmeter LNG nach Deutschland kommen, rechnet das New Climate Institute in einer aktuellen Studie vor.

Das wäre weit mehr als die weggefallenen russischen Lieferungen, die es damit zu ersetzen gilt. 2021 verbrauchte Deutschland ungefähr 90,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas, 95 Prozent davon wurden von Importen gedeckt. Das entspricht knapp 86 Milliarden Kubikmetern von denen wiederum etwas mehr als die Hälfte aus Russland stammte.

Mit den Terminals würde Deutschland die Lücke durch die russischen Importe weit mehr als nur schließen. Zumindest, wenn man den Statistiken der Umweltverbände glauben darf. Deren Berechnung basiert jedoch auf einer ungenauen Datenlage, wie die Studienautoren selbst einräumen. Dafür hatten sie nach eigenen Angaben "unvollständige Pressemitteilungen" ausgewertet und mit Daten der Deutschen Umwelthilfe verrechnet. Heraus kam eine Liste mit elf geplanten LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Lubmin, Stade, Hamburg und Brunsbüttel. Neun der geplanten Projekte seien staatlich, zwei privat organisiert. Stehen sollen sie alle im Jahr 2026.

Bundeswirtschaftsministerium grenzt Zahl der LNG-Projekte ein

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) dementierte diese Daten auf Nachfrage des stern umgehend. In einem Überblickspapier, das dem stern vorliegt, plant das BMWK mit fünf LNG-Terminals, die jedoch, anders als von den Verbänden dargestellt, nicht parallel betrieben werden, sondern einander ablösen sollen. Das erste Terminal in Wilhelmshaven wurde bereits im Dezember 2022 eröffnet. Anfang Januar wurde dort die "Energy Maria" in Empfang genommen. Der Tanker lieferte 170.000 Kubikmeter Flüssiggas. Damit lassen sich nach Angaben des Betreibers Uniper 50.000 Haushalte ein Jahr lang versorgen.

Ein zweites schwimmendes Terminal (FSRU) ist für Wilhelmshaven geplant, eines in Brunsbüttel. Zwei weitere sollen Ende des Jahres in Lubmin und Stade an den Start gehen. Das Bauvorhaben in Lubmin wurde am Donnerstag genehmigt. Die FSRUs haben den Angaben zufolge jeweils eine Kapazität von fünf Milliarden Kubikmetern pro Jahr und Schiff. 2026 sollen die beiden FSRUs in Lubmin und Stade dann durch feste Terminals ersetzt und nicht, wie von den Umweltverbänden dargestellt, parallel betrieben werden.

In den Jahren 2023 und 2024 können mit den staatlichen LNG-Terminals 25 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas bereitgestellt werden. Das deckt nach Einschätzung des Ministeriums ein Drittel des deutschen Gasbedarfs.

40 Milliarden Kubikmeter aus dem Ausland

Allerdings hat sich bisher gezeigt, dass die ausbleibenden russischen Gaslieferungen keine Lücke in die Versorgung gerissen haben. Zumindest ist die Gasmangellage nach dem Ende von Nord Stream 1 ausgeblieben. Deutschland konnte seine Gasspeicher gemäß den Anforderungen des Bundesgasspeichergesetzes füllen. Das liegt nach Informationen des BMWK daran, dass "in der Einspeicherperiode auch russisches Gas nach Deutschland eingeführt wurde und zum Einspeichern genutzt werden konnte". Stromausfälle oder die vielfach gefürchteten Blackouts blieben bisher aus und sind angesichts der Prognosen von Energieexperten und der Bundesnetzagentur nicht zu erwarten.

Zudem hat Deutschland seine Importe aus Ländern wie Norwegen erhöht. Dauerhaft kann das aber nicht so bleiben, weil etwa die Skandinavier wegen der höheren europäischen Nachfrage schon jetzt an seine Grenzen stößt, teilt das Ministerium auf stern-Anfrage schriftlich mit. Um die Fördermengen zu erhöhen, müssten weitere Regionen vor der norwegischen Küste untersucht werden, das entscheidet die dortige Regierung. "Dies ist derzeit allerdings sehr unwahrscheinlich", heißt es aus dem Ministerium. Die Terminals sollen mögliche rückläufige Lieferungen abfangen.

Zudem seien die Lieferkapazitäten aus Nachbarländern wie Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Polen auf 40 Milliarden Kubikmeter begrenzt. Zahlen der europäischen Gasnetzbetreiber zufolge wurden im Jahr 2022 zwar 70 Milliarden Kubikmeter eingespeist.

Doch bei den genannten Kapazitäten handele es sich lediglich um die "für Deutschland relevanten LNG-Terminals", heißt es aus dem BMWK. Auch andere Länder würden von den Kapazitäten der Nachbarländer profitieren. Und auch die Betreiberländer selbst nutzen einen gewissen Anteil für den Eigenbedarf. "Die Niederlande haben zudem bereits angekündigt die Gasförderung zu drosseln, LNG-
Importkapazitäten in den Niederlanden, Belgien und Frankreich könnten für den Eigenbedarf der Länder
genutzt werden", schreibt das New Climat Institute.

Im Übersichtspapier zu den geplanten LNG-Terminals in Deutschland heißt es deshalb, es sei "ein Gebot der Solidarität, dass auch andere europäische Länder, die keinen eigenen LNG-Zugang haben, mit versorgt werden können".

Klima- und Umweltbedenken bleiben

Dass die LNGs nur ein kurzfristiges Projekt bleiben, gilt allerdings als unwahrscheinlich. So sollen etwa die festen Terminals zwanzig Jahre betrieben werden – also bis 2046. Damit sich die Projekte auch für die Betreiber wirtschaftlich rechnen ist es nahliegend, dass kurzfristige Verträge verlängert werden. Doch um die Klimaneutralität 2045 zu erreichen, müsste der deutsche Gasverbrauch laut dem New Climate Institute dann bei Null liegen.

Zwar beschwichtigt das Wirtschaftsministerium, das Flüssiggas werde in ein paar Jahren durch klimafreundlicheren Wasserstoff ersetzt. Doch daran gibt es Zweifel, denn die Terminals lassen sich nicht einfach so umrüsten. Experten rechnen damit, dass ein Umbau teuer oder einfach nicht machbar sein wird. Damit hätte sich Deutschland gleich an einen neuen fossilen Brennstoff gekettet – auf Kosten von Klimaversprechen und der eigenen Glaubwürdigkeit.

Quellen: Deutsche Umwelthilfe, New Climate Research Institute, BMWK, Aggregated LNG Storage Inventory, Destatis, "Handelsblatt", Bundesnetzagentur, "Zeit.de", mit Material von AFP und DPA

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