FDP-Chef Westerwelle beim Dreikönigstreffen Augen zu und durch

Es hieß, Guido Westerwelle wolle die Rede seines Lebens halten. Sollte sie es gewesen sein, kann sein politisches Leben nicht mehr allzu lang dauern. Beobachtungen vom Dreikönigstreffen der FDP.

Es sollte eine Faust sein, aber seine Finger krampften sich ineinander - Guido Westerwelles Körpersprache verriet zumindest ein bisschen, unter welch monströser Anspannung er stand. Etwa 300 Journalisten waren angereist, weit mehr als zu vergangenen Dreikönigstreffen der FDP. Schließlich war eine Jahrhundertrede angekündigt, mindestens, eine Rede, mit der Westerwelle seinen Kopf aus den Personaldebatten ziehen und seine gebeutelten Mitstreiter bis in die Haarspitzen motivieren würde. Der Parteivorsitzende hatte die ins Absurde gehenden Erwartungen auch selber geschürt, Anfang des Jahres ließ er durchsickern, wie intensiv er im Ägypten-Urlaub über Weihnachten am Manuskript gefeilt habe.

Und dann das.

Zur allgemeinen Verblüffung bediente sich Westerwelle im berstend vollen Stuttgarter Staatstheater weitgehend aus schon bekannten rhetorischen Versatzstücken. Keine Silbe zu der Frage, ob er im Mai wieder auf dem FDP-Parteitag in Rostock wieder kandidieren werde. Kein Wort darüber, wie sich die FDP inhaltlich breiter aufstellen soll. Keine Aussicht darauf, mit welchen neuen Großprojekten die Liberalen in der Regierungskoalition punkten wollen. Westerwelle sprach, als habe er die politische Flut nicht registriert, die die Liberalen bei den kommenden Landtagswahlen hinwegzuspülen droht.

Genial? Dreist? Oder enttäuschend?

Rätselraten nach der Veranstaltung auf dem Vorplatz des Stadttheaters: War das genial? Dreist? Oder einfach nur enttäuschend? Jens Brandenburg, Chef der Jungen Liberalen in Baden-Württemberg, sagte, er sei zufrieden. Es sei auch gut gewesen, dass Westerwelle nicht seine eigene Person in Mittelpunkt gestellt habe - das hätte die Personaldebatte nur weiter verlängert. Andere vermissten genau das: ein paar klare Sätze von Westerwelle über Westerwelle. Selbstkritik. Ein - wie auch immer verklausuliertes - mea culpa. Und eine Ansage zu seiner Kandidatur. Die Stimmung der Gäste jedenfalls war wie das Wetter, durchwachsen bis regnerisch.

Augen zu und durch. Das ist offenkundig die Strategie der FDP-Führung. Am 27. März, nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden die Karten ohnehin neu gemischt. Das weiß auch Westerwelle, deshalb simulierte er busines as usual. Und versuchte, die Wahlkämpfer mit ein paar Argumentationshilfen zu impfen. Die wichtigste lautete: "Der Anfang ist gemacht." Damit meinte der Parteichef die Regierungsarbeit im vergangenen Jahr, die ersten Ansätze zu Entlastungen ("Wachstumsbeschleunigungsgesetz"), die Steuervereinfachung, die dieses Jahr in Kraft treten sollen und die Bafög-Reform. Das war ein Bruch mit dem großspurigen Gestus des Generalreformers, mit dem er noch 2009 aufgetreten war - auf dem Dreikönigstreffen damals forderte er nicht weniger als eine "geistig-politische Wende".

Und natürlich verwandelte er ein paar Elfmeter, die ihm der politische Gegner vors Tor gelegt hatte. Zum Beispiel die törichte Äußerung der Linken-Vorsitzenden Gesine Lötzsch, ihre Partei suche den Weg zum Kommunismus. Oder die von den Grünen angeführten Proteste gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Das sei die "Dagegen-Partei", ereiferte sich Westerwelle - aber diesen Anwurf hatten auch schon seine Vorredner bis zum Äußersten strapaziert. Zudem dürfte den FDP-Mitgliedern im Publikum noch in Erinnerung sein, was die scharfe Abgrenzung zu den Grünen im nordrhein-westfälischen Wahlkampf gebracht hatte: gar nichts.

Alle angeschlagen - außer Lindner

Es war schon ein seltsames Bild, das sich den Zuschauern im Stuttgarter Staatstheater bot. Ein hell ausgeleuchtetes Podium mit Parteiführern, die alle ein wenig angeschlagen wirkten. Herbert Mertin saß da, der rheinland-pfälzische Spitzenkandidat, der zuvor gesagt hatte, Westerwelle sei "ein Klotz am Bein". Philipp Rösler, der Bundesgesundheitsminister, der von Amts wegen nichts als Ärger hat und regungslos wie eine Porzellan-Figur verharrte. Birgit Homburger, Fraktionschefin im Bundestag, die Reden hält, als schleppe sie die Axt zum Florett-Unterricht. Hermann-Otto Solms, der es wohl nie verwinden wird, nicht Finanzminister geworden zu sein. Einzig Generalsekretär Christian Lindner wirkte alert und konzentriert wie immer. Als er zum Rednerpult ging, ertönte aus den hinteren Sitzreihen ein halb geseufztes: "Aaah, der Hoffnungsträger".

Das ist Westerwelle nicht mehr. War dies die Rede seines Lebens, kann sein politisches Leben nicht mehr allzu lang dauern.