Forsa-Chef Güllner erklärt Warum die SPD ein massives Problem in Großstädten hat

Forsa-Chef Manfred Güllner analysiert, weshalb die Sozialdemokraten ein noch größeres "Großstadt-Problem" als CDU und CSU haben - obwohl sie noch die meisten Oberbürgermeister stellen.

Wann immer die CDU in einer größeren deutschen Stadt ihren Oberbürgermeister verliert, wird das "Großstadt-Problem" der Union debattiert: Die Partei sei nicht fortschrittlich und weltoffen genug für eine urbane Wählerschaft. Dabei wird vergessen, dass zum Beispiel in München die CSU stärkste Fraktion ist, obwohl die SPD den OB stellt, auch in Frankfurt am Main hat die CDU in der Stadtverordnetenversammlung die meisten Mandate – auch hier ist der Oberbürgermeister von der SPD.

Ein "Großstadt-Problem" hat, mehr noch als die CDU, auch die SPD.

Denn zwischen 1964 und 1968 wurden die Sozialdemokraten bei Kommunalwahlen, bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen sowie der Abgeordnetenhauswahl in Berlin in den zwölf größten Städten der alten Bundesrepublik von fast 3,3 Millionen Wahlberechtigten gewählt. Das waren 55,4 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen oder 39,5 Prozent aller Wahlberechtigten. Bei den lokalen Wahlen zwischen 2011 und 2014 erhielt die SPD in der Summe dieser zwölf Städte nur noch rund 1,5 Millionen Stimmen oder 32,5 Prozent der gültigen Stimmen und 16,3 Prozent aller Wahlberechtigten. Die SPD verlor somit seit Mitte der 1960er Jahre in den urbanen Metropolen über 1,7 Millionen (oder 58,7 Prozent) ihrer einstigen Wähler.

Erschreckende Verluste

Die CDU (mit der CSU in München) erhielt bei den lokalen Wahlen zwischen 1964 und 1968 etwas mehr als 1,9 Millionen Stimmen. 2011 bis 2014 sank die Zahl der CDU/CSU-Wähler um 759.000 auf weniger als 1,2 Millionen – ein Wählerschwund von 46,1 Prozent.

Die Verluste der SPD in den urbanen Metropolen sind also bedeutend größer als die der CDU (oder der CSU). Erschreckend ist allerdings der Verlust der Bindekraft beider großen Parteien in den Großstädten des Landes.

Die Großstädte waren in den 1950er und 1960er Jahren eine Hochburg der Sozialdemokraten. In allen zwölf größten Städten in der alten Bundesrepublik erhielt die SPD mehr Stimmen als die CDU (oder CSU). Bei den vergangenen kommunalen Wahlen zwischen 2011 und 2014 war die SPD aber nur noch in acht der zwölf Städte stärker als die CDU (CSU). In vier Städten (Düsseldorf, Frankfurt am Main, München und Stuttgart) erhielt die CDU (oder CSU) mehr Stimmen als die SPD.

Mit Ausnahme von Duisburg (wo der CDU-Oberbürgermeister nach der Love-Parade-Katastrophe stürzte), Hamburg und Bremen waren die Verluste der SPD bei den lokalen Wahlen viel höher als die – heute von vielen behaupteten riesigen – Verluste der CDU oder der CSU. So verlor die SPD mehr als 70 Prozent ihrer früheren Wähler in Frankfurt am Main und Stuttgart und mehr als 60 Prozent in den Städten Berlin, München, Dortmund, Essen und Köln.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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