Mit großer Mehrheit Frank-Walter Steinmeier als deutscher Bundespräsident wiedergewählt

Frank-Walter Steinmeier nach dem Wahlergebnis, hier mit seiner Frau Elke Büdenbender
Der neue Bundespräsident ist auch der alte: Frank-Walter Steinmeier nach dem Wahlergebnis, hier mit seiner Frau Elke Büdenbender
© Michael Sohn / POOL / AFP
Kontinuität in einer aufgewühlten Zeit: Frank-Walter Steinmeier bleibt Bundespräsident. Mit überwältigender Mehrheit wurde er für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. In seiner Rede warnt er vor einer Kriegsgefahr in Europa. 

Frank Walter-Steinmeier darf weiterhin im Schloss Bellevue wohnen. Bei der Bundesversammlung wurde der bisherige Amtsinhaber für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Bereits im ersten Wahlgang bekam Steinmeier eine überwältigende Mehrheit: 1045 der 1437 abgegebenen Stimmen entfielen auf ihn. Zwölf Stimmen waren ungültig. Der 66-Jährige nahm die Wahl direkt im Anschluss an. Das Ergebnis kommt wenig überraschend. Er genießt die Unterstützung von SPD,  den Unionsparteien, Grünen und FDP. Seine drei Gegenkandidaten galten als chancenlos. Sie wurden von Linkspartei, AfD und Freien Wählern aufgestellt.

Frank-Walter Steinmeier warnt vor Kriegsgefahr in Europa

Auf Linken-Kandidat Gerhard Trabert entfielen 96 Stimmen. Max Otte, CDU-Politiker und AfD-Kandidat, konnte 140 Stimmen auf sich versammeln. Die Kandidatin der Freien Wähler, Stefanie Gebauer, erhielt 58 Stimmen. SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU stellten zusammen 1223 der 1472 Mitglieder der Bundesversammlung – also weit mehr als die im ersten Wahlgang notwendige absolute Mehrheit. Im Vorfeld war mit Spannung erwartet worden, wie viele Delegierte für Otte stimmen würden. Die AfD allein stellte 151 Wahlleute. Die Kandidatur des CDU-Politikers auf AfD-Ticket war im Vorfeld extrem umstritten. Die CDU entzog ihm deswegen die Mitgliederrechte und leitete ein Parteiausschlussverfahren ein.

In seiner Rede nach seiner Wiederwahl warnte Steinmeier vor der akuten Gefahr eines Kriegs in Europa. "Wir sind inmitten der Gefahr eines militärischen Konflikts, eines Krieges in Osteuropa", sagte Steinmeier vor der Bundesversammlung. In klaren Worten hat er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Verantwortung für die Eskalation im Ukraine-Konflikt zugewiesen. Gleichzeitig lud das Staatsoberhaupt den Kremlchef ein, Teil einer europäischen Friedensgemeinschaft zu sein. "Ich appelliere an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine und suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt", sagte Steinmeier. Der russische Präsident solle nicht den Fehler machen, die Stärke der Demokratie zu unterschätzen, fügte er hinzu. Aus Washington, Paris und Berlin komme in diesen Tagen die gleichlautende Botschaft: "Wir wollen friedliche Nachbarschaft im gegenseitigen Respekt."

Einladende Worte an Gegenkandidaten

Der neu gewählte Bundespräsident hat einem seiner unterlegenen Mitbewerber eine Zusammenarbeit im Kampf gegen Obdachlosigkeit angeboten. "Sie haben mit Ihrer Kandidatur auf ein Thema aufmerksam gemacht, das mehr Aufmerksamkeit verdient: die Lage der Ärmsten und Verwundbarsten in unserem Land", sagte Steinmeier an den Kandidaten der Linken, den Mediziner Gerhard Trabert, gewandt. "Dafür, Herr Trabert, gebührt Ihnen nicht nur Respekt, sondern ich hoffe, dass Ihr Impuls erhalten bleibt." Trabert engagiert sich seit Jahrzehnten für die medizinische Versorgung von Obdachlosen und in der Flüchtlingshilfe.

Sowohl Trabert als auch er selbst beschäftigten sich mit dem Thema Obdachlosigkeit seit langer Zeit, sagte Steinmeier. "Warum schauen wir nicht, ob wir diesem drängenden Thema gemeinsam mehr Aufmerksamkeit verschaffen können, Herr Trabert? Ich würde mich freuen, wenn wir darüber ins Gespräch kämen."

"Ich werde als Bundespräsident keine Kontroverse scheuen"

Steinmeier will zudem der Auseinandersetzung mit radikalen und gewaltbereiten Gegnern der Corona-Politik nicht aus dem Weg gehen. "Denen, die Wunden aufreißen, die in der Not der Pandemie Hass und Lügen verbreiten, die von 'Corona-Diktatur' fabulieren und sogar vor Bedrohung und Gewalt nicht zurückschrecken, gegen Polizistinnen, Pflegekräfte und Bürgermeister, denen sage ich: Ich bin hier, ich bleibe", kündigte Steinmeier in der Rede nach seiner Wiederwahl am Sonntag in Berlin an.

"Ich werde als Bundespräsident keine Kontroverse scheuen, Demokratie braucht Kontroverse. Aber es gibt eine rote Linie, und die verläuft bei Hass und Gewalt. Und diese rote Linie müssen wir halten in diesem Land", sagte Steinmeier. Er warnte davor, die Herausforderungen für die Demokratie zu unterstützen. "Gegner der Demokratie, von außen und von innen, säen in der Pandemie Zweifel an unserer Handlungsfähigkeit und unseren Institutionen, an der freien Wissenschaft, den freien Medien."

Steinmeier betonte aber auch: "Die Pandemie hat tiefe Wunden geschlagen in unserer Gesellschaft. Und ich möchte dabei helfen, diese Wunden zu heilen." Nach zwei Jahren Pandemie gebe es Frust und Gereiztheit. Es habe Fehler und Fehleinschätzungen gegeben. "Aber, meine Damen und Herren, man zeige mir ein autoritäres System, das besser durch diese Krise gekommen wäre." Der entscheidende Durchbruch im Kampf gegen die Pandemie, die rasche Impfstoff-Entwicklung, sei in der freien Wissenschaft in Deutschland, mit Partnern in Europa und den USA geschehen. "Wir sollten, bei aller Selbstkritik, die notwendig ist, unser Licht nicht unter den Scheffel stellen."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Steinmeiers zweite Amtszeit beginnt am 18. März. Er ist damit erst der fünfte Bundespräsident mit einer zweiten Amtszeit. Der 66-Jährige, der seine Parteizugehörigkeit zur SPD als Staatsoberhaupt ruhen lässt, ist seit 2017 Bundespräsident. Zuvor war er von 2005 bis 2009 und dann wieder von 2013 bis 2017 Außenminister. Bei der Bundestagswahl 2009 scheiterte er als SPD-Kanzlerkandidat.

Auch Prominente wählten den Bundespräsidenten

Der 17. Bundesversammlung gehören 1472 Mitglieder an. Sie ist die größte parlamentarische Versammlung in der Bundesrepublik. Ihre einzige Aufgabe ist die Wahl des Staatsoberhaupts. Der Versammlung gehören die 736 Abgeordneten des Bundestags sowie die gleiche Anzahl von Vertretern der Länderparlamente an. Aus Pandemieschutzgründen tagt die Bundesversammlung nicht im Plenarsaal des Bundestags, sondern über fünf Stockwerke verteilt im Paul-Löbe-Haus.

Mit dabei war am Sonntag auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel, die vor der Wahl langen Applaus erhielt. Auf der Liste der Wahlleute standen außerdem Prominente wie Bundestrainer Hansi Flick, Fußballer Leon Goretzka oder Musiker Roland Kaiser und Wissenschaftler wie Astronaut Alexander Gerst, Virologe Christian Drosten und die Biontech-Mitgründerin und Impfstoff-Entwicklerin Özlem Türeci. Mehr als 70 Nachrücker kamen zum Zuge – unter anderem, weil Delegierte mit positiven Coronatests ausfielen.

AFP · DPA
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