Gas-Streit Glos drängt auf Verhandlungen

Wirtschaftsminister Michael Glos hat den russischen Staatskonzern Gazprom und die Ukraine dringend aufgefordert, ihren Streit beizulegen. Nach einem Treffen mit dem Gazprom-Vizechef Alexander Medwedew betonte Glos, in Deutschland drohten keine Engpässe. In einigen Ländern Osteuropas herrscht dagegen bereits ein Gas-Notstand.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hat an die Ukraine und den russischen Gasversorger Gazprom appelliert, ihren Lieferstreit zu beenden. Nach einem Treffen mit Gazprom-Vizechef Alexander Medwedew am Dienstag in Berlin sagte der CSU-Politiker, Deutschland sei von dem Lieferengpass weniger betroffen als andere europäischen Länder. Es habe Vorräte in unterirdischen Gasspeichern. Auch habe Gazprom zugesagt, mehr Gas über alternative Leitungen zu liefern, die nicht durch die Ukraine führen.

Medwedew betonte, auch er unterstütze den Appell an die Ukraine, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Der Gazprom-Vizechef warf dem Land "unverantwortliche Handlungen" vor. Es handele sich um "unverhohlenen Diebstahl russischen Gases durch die Ukraine". Sie habe einseitig die drei Hauptexportgasleitungen nach West- und Mitteleuropa abgesperrt. Deshalb könne Gazprom nur ein Viertel der vereinbarten Menge liefern, sagte Medwedew. Gazprom sei bereit zu Verhandlungen, aber die Ukraine nicht. Ein Vermittler sei nicht nötig. "Wir fühlen uns genug als Profis, diese Krise selbst beizulegen."

Medwedew betonte aber auch: "Die Lage ist sehr ernst." Russland bemühe sich, mehr Gas durch die nördlichen Leitungen zu pressen, sagte Medwedew. Auch gebe Gazprom eigenes Gas aus Speichern in Europa frei. "Damit ist es möglich, eine krisenhafte Zuspitzung der Ereignisse zu verhindern." Glos betonte: "Alle sind gut beraten, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren." Er setze auf Gespräche, erklärte der Wirtschaftsminister. "Ich glaube immer wieder an die Vernunft der Menschen."

Gas-Notstand in einigen Ländern ausgerufen

Unterdessen ergreifen mehrere Länder in Ost- und Mitteleuropa wegen ausbleibender Gaslieferungen aus Russland zu teils drastischen Maßnahmen. Die Slowakei rief am Dienstag den Notstand aus: Um die Versorgung der Haushalte, von Krankenhäusern und anderer wichtiger Einrichtungen zu garantieren, müssen industrielle Abnehmer damit rechnen, zeitweise gar kein Gas zu bekommen, teilte die Regierung mit. 70 Prozent der üblichen Gaslieferungen seien nicht angekommen.

Auch Ungarn bekam kein Gas mehr. Die Lieferung über die Haupt-Pipeline sei am Dienstagnachmittag gestoppt worden, sagte der ungarische Energieminister Csaba Molnar laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI. Von Mittwoch an erhalten Großverbraucher in der Industrie, die auf alternative Energiequellen umstellen können, weniger Erdgas als sonst, wie der Minister sagte. Mehr als 90 Prozent des in Ungarn verbrauchten Erdgases kommt aus Russland.

Ungarn verfügt über Reserven von 3,1 Milliarden Kubikmeter, die nun zum Ausgleich genutzt werden sollen. Lediglich über eine kleinere Pipeline, die russisches Gas aus der Ukraine über die Slowakei und Österreich nach Ungarn pumpt, gelangten noch drei Millionen Kubikmeter ins Land.

Der Lieferstopp nach Ungarn dürfte auch das Nachbarland Serbien betreffen, weil das russische Importgas über dieselbe Pipeline durch Ungarn in das Balkanland gelangt. Von den täglichen 38 Millionen Kubikmeter Gas, die laut Vertrag aus Russland in Ungarn ankommen sollen, sind 11 Millionen Kubikmeter für Serbien und Bosnien bestimmt. In der Türkei wird nach Alternativen gesucht, da auch hier kein russisches Gas mehr über die Ukraine in das Land kommt.

Auch die bulgarische Gasgesellschaft Bulgargas teilte mit, dass das Land kein russisches Gas mehr erhalte. Vom Lieferstopp an der ukrainisch-rumänischen Grenze seien auch Bulgariens Nachbarstaaten Griechenland, Mazedonien und die Türkei betroffen. Auch Österreich meldete, dass 90 Prozent weniger Erdgas als normalerweise ankamen. Bulgarien drängte angesichts der Lieferprobleme die EU auf eine Wiederinbetriebnahme eines Reaktors im Atomkraftwerk Kosloduj.

AP
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