Norbert Röttgen, Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion und vielleicht bald Kanzleramtsminister sieht die aktuellen Diskrepanzen zwischen den Möchtegern-Koalitionären Union und SPD gelassen: "Das wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird", sagt er im ZDF, denn da gehe es jetzt um "Gesichtswahrung" und "ein bisschen Kraftmeierei".
Unter die Rubrik Kraftmeierei fällt zum Beispiel die Diskussion über Befugnisse einer Kanzlerin Angela Merkel, Stichwort Richtlinienkompetenz. Kurz nachdem die Entscheidung zugunsten der CDU-Chefin als künftige Regierungschefin gefallen war, hatte Edmund Stoiber gesagt, sie habe in einer großen Koalition eine sehr eingeschränkte Richtlinienkompetenz. SPD-Vorsitzender Franz Müntefering gefiel das und ließ ähnliches verlauten.
Zwar schwelt die Diskussion weiter, aber CDU und SPD bemühen sich um Beschwichtigung. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter sagte, die Debatte darüber sei "weit übertrieben". Jeder Kanzler einer Koalition müsse mit seiner Richtlinienkompetenz "sehr sorgsam umgehen". Er oder sie könne sich nicht hinstellen und sagen: "Ich bestimme hier alleine, wo es langgeht." Das sei mit der SPD auch nicht zu machen.
Gemeinsamkeiten statt Unterschiede hervorheben
Vor einem Streit zwischen den beiden Parteien warnen auch Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und der brandenburgische CDU-Chef Jörg Schönbohm. Bei den Koalitionsgesprächen müssten die Gemeinsamkeiten und nicht die Unterschiede im Vordergrund stehen, sagte Milbradt im Deutschlandradio. Anfängliche Schwierigkeiten dürften kein Dauerzustand sein.
Schwierigkeiten haben viele Sozialdemokraten auch mit der künftigen Kanzlerin Angela Merkel. Der konservative SPD-Flügel hatte tagelang gegen sie gewettert und hat erst nach einer Partei-Klausurtagung am Dienstag von ihrer Antihaltung abgeschworen. Auch die Parteilinke tut sich schwer mit der Mecklenburgerin.
Langsam aber akzeptieren auch die traditionell linken bayerischen Sozialdemokraten die CDU-Vorsitzende. So will der Vize-Fraktionschef Ludwig Stiegler eine Kanzlerin Angela Merkel unterstützen. Sollten SPD und Union sich auf einen Koalitionsvertrag einigen, werde er bei der Kanzler-Wahl mit für Merkel stimmen, "auch wenn die Hand blutet", sagte er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA. "Ich habe weiß Gott mit aller Kraft für einen Kanzler Schröder gekämpft. Aber wenn es keinen Kanzler mehr gibt, für den man kämpfen kann, muss man sich auf die neue Lage einstellen."

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Stiegler hatte massiv gegen Merkel gekämpft
Stiegler hatte massiv gegen eine Kanzlerschaft von CDU-Chefin Merkel gekämpft. Nach der Wahl gehe man nun mehr in eine kooperative Phase. Wichtig sei, dass jetzt beide Seiten auf Basis ihrer Wahlprogramme zueinander fänden.
Was die potentiellen Minister betrifft, kommen jeden Tag neue Namen ins Gespräch. Bei der SPD sind dies aktuell: Peer Steinbrück, der Finanzminister werden soll, der amtierende Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier könnte ins Verkehrsressort wechseln und Michael Müller gilt als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Umweltministers. Auch an Franz Müntefering wird bei den Sozialdemokraten gedacht. Am Rande eines Vorbereitungstreffens für die Verhandlungen mit der Union zeigten sich am Mittwoch Meinungsunterschiede in der SPD-Führung zur Frage, ob Müntefering ins Kabinett gehen solle. In der Partei wird darauf verwiesen, Müntefering stehe vor einer schwierigen Abwägung: Einerseits ist der Vizekanzler als Kabinettsmitglied im Machtzentrum. Andererseits erfordern Partei und Fraktion gerade in der ungeliebten Koalition mit der Union eine starke und integrierende Führungspersönlichkeit.
Präsidiumsmitglied Andrea Nahles sagte: "Ich würde glauben, dass das einiges erleichtern würde, aber ich möchte dieser Entscheidung nicht vorweggreifen." Fraktionsvize Gernot Erler verwies dagegen auf die Bedeutung Münteferings als Chef von Partei und Fraktion: "Ich glaube, es gibt auch eine große Erwartung, dass er die Fraktion und die Partei erstmal in diese Koalition hineinführt, das ist nicht so einfach." Müntefering selbst hat seine Rolle wie andere Personalfragen offen gelassen. Er wird vor allem als Arbeitsminister und Vizekanzler gehandelt.
Bundeskanzler Gerhard Schröder lassen diese Personalfragen vermutlich kalt. Nach sieben Jahren im Amt hat er nun endgültig seinen Rückzug aus der Regierungsverantwortung erklärt. "Ich werde der nächsten Bundesregierung nicht angehören. Definitiv nicht angehören", sagte er am Mittwoch beim Kongress der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) in Hannover. Sichtlich bewegt nahm er den großen Beifall der Delegierten entgegen.
"Ich will sie wirklich unterstützen mit allen Kräften, die ich habe"
Als zentrale Aufgabe der kommenden Bundesregierung nannte Schröder die "Modernisierung in Deutschland mit sozialer Sicherheit". "Ich will sie wirklich unterstützen mit allen Kräften, die ich habe. Und das ist jetzt nicht als Drohung gemeint." Er betrachte es als Aufgabe seiner Partei, dafür zu sorgen, dass eine große Koalition mit der Union Erfolg habe. Die SPD müsse klar machen, dass das ökologische Erbe der amtierenden Regierung bei den Sozialdemokraten am besten aufgehoben sei.
In der CDU dagegen gibt es offenbar Vorbehalte gegen die Berufung der niedersächsischen Sozialministerin Ursula von der Leyen in ein Kabinett Merkel. Übereinstimmenden Zeitungsberichten zufolge wurde auf einer Sitzung der CDU-Landesgruppe der Unions-Bundestagsfraktion Unmut über von der Leyen laut, die gute Aussichten hat, Bundesfamilienministerin zu werden. Die CDU-Politikerin werde nichts mehr mit Niedersachsen am Hut haben, wenn sie erst einmal Bundesministerin sei, zitiert die Hannoversche "Neue Presse" einen namentlich nicht genannten Abgeordneten. Man brauche aber jemanden im Kabinett, dessen Gesicht auch künftig in Niedersachsen präsent sei.
Pflüger als Alternative zu von der Leyen
Laut "Neue Osnabrücker Zeitung" wurde der Außen- und Sicherheitspolitiker Friedbert Pflüger als Alternative zu von der Leyen ins Spiel gebracht. Der 50-jährige Hannoveraner, der Spitzenkandidat der Niedersachsen-CDU bei der Bundestagswahl am 18. September war, könnte demnach Verteidigungsminister werden. In der CSU gebe es zudem Stimmen, das Familienministerium für die bayerische Schwesterpartei zu reklamieren, berichtete das Blatt.