Kampf gegen die vierte Welle Gesundheitsminister sprechen sich für Booster-Impfung nach sechs Monaten aus

Vierte Welle: "Stehen vor sehr schwierigen Wochen": Gesundheitsminister rufen zur Booster-Impfung auf
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Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister: "Vor uns liegen sehr schwere Wochen. Das zeichnet sich allein schon durch die hohen Zahlen ab. Wir sehen im Moment, dass etwa 0,8 Prozent, knapp ein Prozent der Infizierten, der Neuinfizierten, dann in aller Regel nach 10-14 Tagen auf den Intensivstationen behandlungsbedürftig werden. Heißt also, wenn wir heute knapp 40000 Neuinfizierte haben, dann werden in einigen Tagen von ihnen 350 bis 400 dann neu aufgenommen werden auf den Intensivstationen. Und das zeigt eben, dass das noch einige Wochen sind. So oder so, die sehr, sehr schwierig werden." "Ein wichtiges Signal dieser Tage, dass sowohl die Ärzteschaft wie auch Bund und Länder sich einig sind, dass jeder, bei dem die zweite Impfung sechs Monate oder länger zurückliegt, auch eine entsprechende Auffrischungsimpfung bekommen können soll. Insbesondere empfohlen, auch aktiv angeboten für die Älteren, für ältere Menschen, für Menschen mit Vorerkrankungen, für medizinisches und pflegerische Personal. Und wir brauchen mehr Tempo, mehr Geschwindigkeit bei diesen Impfungen. Das zeigen vor allem auch die jüngsten Erkenntnisse. Das ist so ein Unterschied macht, einen so klaren, auch um eine Welle zu brechen, ist ja eine Erkenntnis, die wir erst seit wenigen Tagen, Wochen haben. Das sollten wir aber jetzt auch nutzen. Diese Erkenntnis, indem wir mehr Tempo bei den Impfungen machen, Boostern." "Es geht darum, dass wir uns gegenseitig schützen, dass wir auch weiterhin gut aufeinander aufpassen. Es ist deutlich viel mehr Alltag möglich. Überlegen Sie mal die Inzidenz, die wir jetzt haben, ohne Impfstoffe und Impfungen. Jeder erinnert noch die Maßnahmen aus dem letzten Herbst und Winter. Die wollen wir vermeiden und wir können mit den Impfungen entscheidenden Unterschied machen. Aber dafür ist es jetzt eben wichtig, diese Welle zu brechen."
Nach einer zweitägigen Konferenz präsentieren die Gesundheitsminister ihre Beschlüsse im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Die 3G-Regelung soll strenger kontrolliert, vulnerable Menschen besser geschützt werden. Etwa durch kostenlose Tests in Pflegeeinrichtungen.

Angesichts der sich verschärfenden Corona-Lage haben sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern für Auffrischungsimpfungen für alle ausgesprochen. "Boostern nach sechs Monaten sollte die Regel werden, nicht die Ausnahme", sagte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag nach zweitägigen Beratungen in Lindau. In Alten- und Pflegeheimen sollen die verpflichtenden Tests ausgeweitet werden. Eine Impfpflicht für das Pflegepersonal soll es aber nicht geben.

Vor allem Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen und medizinisches Personal sollten die Auffrischungsimpfungen erhalten, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), der den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz hat. Grundsätzlich sollten aber sogenannte Booster-Impfungen nach sechs Monaten "für alle möglich sein". Es gehe darum, "diese Welle zu brechen".

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte am Morgen den zweiten Tag in Folge einen Höchststand der Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie gemeldet. Demnach wurden binnen 24 Stunden 37.120 Neuinfektionen registriert. 154 Menschen starben.

Booster-Impfung für alle nach sechs Monaten

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) befürchtete eine baldige Überlastung der Intensivstationen in seinem Bundesland. "Das führt dazu, dass wir alsbald in andere Nachbarbundesländer auch Patienten abgeben werden müssen", sagte er im ARD-"Mittagsmagazin".

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Auffrischungsimpfungen bisher für Menschen ab 70 Jahren. Spahn verwies darauf, dass es auch bei dem Bund-Länder-Beschluss durch die Sechs-Monats-Frist de facto eine Priorisierung nach Altersgruppen gebe. Denn in der ersten Jahreshälfte hätten auch zunächst die Älteren ihre erste und zweite Impfung bekommen. Spahn zufolge besteht Einigkeit, dass es zusätzlich zu den Arztpraxen auch öffentliche Stellen für Impfangebote brauche, wie Impfzentren oder Impfbusse.

Kostenlose Tests in Pflegeeinrichtungen

Die Testpflicht in Alten- und Pflegeheimen soll auf Geimpfte und Genesene ausgeweitet werden, da auch diese Überträger des Virus sein können. "Wir schaffen mit dem erweiterten Testkonzept für Personal und Besucher der Pflegeheime unabhängig vom Impfstatus zusätzliche Sicherheit für jene, die besonders geschützt werden müssen", betonte Holetschek. Der Bund wird demnach die Voraussetzungen dafür schaffen, dass etwa Besuchern von Pflegebedürftigen Tests kostenlos zur Verfügung stehen.

Spahn zufolge ist "idealerweise" eine tägliche Testung in den Heimen angezeigt. Dies sei aber auch von der jeweiligen Inzidenz abhängig. In Regionen mit geringerem Infektionsgeschehen könne auch zwei- bis dreimal pro Woche ausreichen.

Kritik von Patientenschützern

Vom Tisch ist eine teils geforderte Impfpflicht für das Pflegepersonal. Für verpflichtende Impfungen gebe es "Argumente dafür, aber auch dagegen", sagte Spahn. Es gebe Regionen, wo die Impfquote beim Pflegepersonal nicht so hoch sei wie zu erwarten. Er habe aber Sorge, dass Pflegekräfte nicht mehr zur Arbeit kämen, wenn eine Impfpflicht eingeführt würde.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Kritik kam von Patientenschützern. "Für den Schutz der Pflegebedürftigen ist nichts klar nach der Gesundheitsministerkonferenz", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Nachrichtenagentur AFP. "Denn mit unverbindlichen Formulierungen wird das Virus weiter seine schreckliche Wirkung bei den Hochbetagten entfalten."

Einig seien sich die Gesundheitsminister, dass die 2G-Regelung, die nur Geimpfte und Genesene einschließt, in Regionen mit sehr hohem Infektionsgeschehen fortan eine Option sei für den Zugang zu bestimmten Veranstaltungen, sagte Spahn. Zugleich bestehe Konsens darüber, dass 3G als Zugangsvoraussetzung für Geimpfte, Genesene und Getestete zu Veranstaltungen in Innenräumen stärker kontrolliert werden müsse. Sachsen will am Freitag als erstes Bundesland eine landesweite 2G-Regelung beschließen.

AFP · DPA
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