Der Bundestag in Berlin hat die Gesundheitsreform beschlossen. Damit wurde das wichtigste Reformprojekt der großen Koalition im Parlament besiegelt. Das Gesetz tritt am 1. April in Kraft. Dann werden unter anderem die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung etwas ausgeweitet. So besteht künftig ein Anspruch auf Mutter-Kind-Kuren und auf mehr Hilfe für Sterbende.
Aber die neuen Regelungen sollen auch Geld sparen, rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr. 2009 wird in der gesetzliche Krankenversicherung der Gesundheitsfonds und in der privaten Krankenversicherung der Basistarif eingeführt. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Neuerungen im Gesundheitswesen.
Jeder Bürger muss krankenversichert sein
Ab 2009 muss jeder Bürger versichert sein. Wer den Schutz verloren hat, muss in seine letzte Versicherung zurückkehren. Wer sich weigert, muss im Krankheitsfall die Beiträge zum Teil nachträglich entrichten und wird zudem mit einem Säumniszuschlag belangt. Ehemals gesetzlich Versicherte werden ab April 2007 versicherungspflichtig, ehemalige Privatversicherte müssen sich von Januar 2009 an versichern. Wer diesen Termin versäumt, muss mit höheren Prämien rechnen. Ehemalige Privatversicherte können ab Juli 2007 in bestehende Standardtarife eintreten. Schätzungen zufolge haben zwischen 200.000 und 300.000 Bürger keine Krankenversicherung.
Mehr Wettbewerb bei den privaten Krankenversicherung
Die privaten Versicherungen müssen ab dem 1. Januar 2009 einen Basistarif anbieten, dessen Leistungsumfang dem der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Der Tarif ist vor allem als Rückkehrmöglichkeit für ehemalige Mitglieder gedacht. Auch freiwillig gesetzlich Versicherte kommen ohne Risikozuschläge, Gesundheitsprüfung oder Leistungsauschlüsse dort hinein. Die Obergrenze des Basistarifs dürfte bei rund 500 Euro liegen, bei armen Versicherten springen Sozialämter und Arbeitsagenturen ein.
Der Basistarif umfasst die Leistungen der gesetzlichen Kassen. Allerdings ist keine beitragsfreie Mitversicherung für Kinder und Ehepartner vorgesehen. Der heutige Standartarif, der nur manchen Personen offensteht, wird in dem Basistarif aufgehen.
Bestandskunden dürfen nur in der ersten Jahreshälfte 2009 in einen der vielen Basistarife wechseln. Nach dieser Frist ist für sie ein Übertritt nur möglich, wenn sie älter als 55 Jahre oder bedürftig sind. Zudem steht ihnen dann nur der Basistarif des eigenen Unternehmens offen. Neukunden können weiter zwischen jedem Basistarif wählen.
Angesparte Altersrückstellungen können künftig bei einem Wechsel mitgenommen werden. Zudem darf einem Versicherten nicht mehr gekündigt werden, wenn er die Beiträge nicht zahlt. Die Police ruht in diesem Fall, die Notfallversorgung muss von der Versicherung bezahlt werden.
Wer künftig Privatpatient werden will, muss drei Jahre in Folge ein zu versteuerndes Jahreseinklommen von 47.250 Euro vorweisen können.

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Ab 2009 kommt der Gesundheitsfonds
Ein Finanzpool soll ab 2009 mehr Transparenz in die Finanzströme im Gesundheitswesen bringen und die Gelder neu verteilten. Gespeist werden soll er aus den künftig vom Staat festzusetzenden Beiträgen von Arbeitnehmern und -gebern sowie aus Steuermitteln. Jede Kasse erhält eine bestimmte Pauschale pro Versichertem plus einem Zuschlag für kranke, behinderte und ältere Menschen. Kassen die vielen Kranke versichern, bekommen mehr Geld. Die Beiträge werden wie bisher von den Kassen eingezogen, die das Geld an den Fonds weiterleiten. Bis zum Start sollen alle Kassen entschuldet sein.
Staatliche Festlegung der Beitragssätze
Zum Start des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 werden die Kassenbeiträge wie bei Renten- oder Arbietslosenverischerung vom Staat festgelegt. Experten erwarten einen Beitrag von deutlich über 15 Prozent, derzeit liegt er bei 14,8.
Kassen dürfen Zusatzprämie erheben
Kommt eine Kasse mit der ihr zugewiesenen Summe aus dem Fonds nicht aus, kann sie eine Zusatzprämie von den Versicherten verlangen. Diese darf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens nicht übersteigen, um sozial Schwache vor Überforderung zu schützen. Bis zu acht Euro kann eine Kasse ohne Einkommensprüfung erheben. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt dederzeit bei 3562,50 Euro, also liegt der höchste Zusatzbeitrag bei rund 36 Euro. Die Kassen müssen ihre Mitglieder rechtzeitig im Vorfeld über die geplante Erhebung der Prämie informieren. Die Versicherten können dann von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Gut wirtschaftende Kassen erstatten eine Prämie.
Reiche Kassen müssen armen Kassen helfen
Durch einen neuen Risikostrukturausgleich erhalten Kassen mit vielen alten und kranken Mitgliedern ab 2009 Geld von finanzstärkeren Konkurrenten. Die Umverteilung orientiert sich an 50 bis 80 schwerwiegenden und damit kostenintensiven chronischen Krankheiten. Eine Klausel soll sicher stellen, dass die zusätzlichen Belastungen für die Kassen der einzelnen Länder 100 Millionen Euro pro Jahr nicht überschreiten.
Gesundheitskosten werden zunehmend über Steuermittel finanziert
Gesamtgesellschaftliche Aufgaben der Kassen sollen zunehmend über Steuermittel finanziert werden. 2007 und 2008 werden 2,5 Milliarden und 2009 vier Milliarden Euro aufgebracht. Danach soll der Anteil pro Jahr um 1,5 Milliarden bis auf 14 Milliarden Euro steigen. Insgesamt würde der Staat so bis 2016 76 Milliarden Euro aufwenden. Die Finanzierung ist unklar.
Vorsorge-Untersuchungen werden Pflicht
Von den Versicherten wird künftig mehr Eigenvorsorge verlangt. So müssen sie regelmäßig an Check-Ups teilnehmen, um etwa Bluthochdruck, Diabetes und andere chronische Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Auch die Krebsvorsorge gehört dazu. Nehmen Versicherte an den Untersuchungen nicht teil, müssen sie - wenn sie chronisch krank werden - nicht wie bisher maximal ein sondern zwei Prozent Zuzahlungen leisten. Kranke müssen sich therapiegerecht verhalten und an Behandlungsprogrammen teilnehmen.
Kassen müssen Impfungen und Mutter-Kind-Kuren bezahlen
Impfungen, Eltern-Kind-Kuren und sämtliche Reha-Maßnahmen werden zu Pflichtleistungen und liegen damit nicht mehr im Gutdünken der Kassen. Sie kommen aber nicht mehr voll für Behandlungsfehler bei Schönheits-Operationen, Piercings und Tätowierungen auf. Zudem sollen die Kassen Tarife anbieten, die dann auch hömöopatische Arzneien bezahlen.
Krankenkassen sollen fusionieren und müssen eine Vielzahl an Tarifen anbieten
Die Kassen bekommen mehr Möglichkeiten, direkt mit Ärzten über Leistungen und Preise zu verhandeln. Auch die Preise für Medikamente sollen sie künftig aushandeln. Die Kassen dürfen künftig eine Vielzahl von Wahltarifen anbieten, die auch Selbstbehalte und Rückerstattungen vorsehen können. Fusionen werden zwischen allen gesetzlichen Kassen möglich. Die bisher sieben Spitzenverbände müssen sich bis 2008 auf Bundesebene zu einem Dachverband zusammenschließen.
Apotheker müssen Kassen höheren Rabatt gewähren
Statt wie bisher zwei Euro müssen die Apotheker den Kassen pro verkaufter Packung künftig 2,30 Euro Rabatt gewähren.
Ärzte in unterversorgten Gebieten bekommen mehr Geld
Die Mediziner erhalten bis spätestens 2011 ein einfacheres und leistungsorientiertes Honorarsystem mit Pauschalpreisen. Mediziner, die sich in unterversorgten Gebieten niederlassen, können Boni erhalten. Die Ärzte erhalten zudem mehr Geld für die Behandlung von Patienten, die durch einen privaten Standardtarif versichert sind.
Deutschlands Krankenhäuser müssen 380 Millionen Euro einsparen
Die Kliniken müssen von ihrem Budget einen Sanierungsbetrag erbringen, der rund 380 Millionen Euro beträgt. Zudem dürfen die Kliniken hochspezialisierte Leistungen - etwa für Krebskranke - ambulant anbieten.
Regierung beziffert den Spareffekt auf 1,5 Milliarden Euro
Die Einsparungen der Reform werden von der Regierung auf 1,1 Milliarden Euro in 2007 und in den Folgejahren auf je 1,5 Milliarden Euro beziffert.