Gesundheitsreform Versicherte sollen zehn Prozent der Arztrechnung selbst bezahlen

Kassen-Patienten sollen nach Willen der Union künftig zehn Prozent der Arztrechnung aus der eigenen Tasche zahlen.

Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, einigten sich am Montag nach wochenlangem internen Streit auf entsprechendes Konzept. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Annette Widmann-Mauz, sagte, als Kompromiss sei vereinbart worden, dass nicht - wie von der CDU verlangt - die gesamten Zahnbehandlungen aus dem Leistungskatalog der Kassen gestrichen werden sollten, sondern lediglich der Zahnersatz. Außerdem sollen die Versicherten zehn Prozent der medizinischen Leistungen selbst bezahlen. Das Bundessozialministerium wies die Vorschläge der Union umgehend als Abkassiererei zurück.

Ziel für Beiträge offen

Am Mittwoch steht die erste Lesung des Gesundheitsreformgesetzes von Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) im Bundestag an. Die Union hatte daher unter Zeitdruck gestanden, einen Alternativvorschlag zu erarbeiten. Dieser sieht vor, die Kassen langfristig um 20 Milliarden Euro zu entlasten. Damit sollen die durchschnittlichen Kassenbeiträge von derzeit 14,4 auf 13 Prozent sinken. Genauso wie die Regierung kann aber auch die Union nicht sagen, wann dies geschehen wird, weil auch ihr Konzept eine stufenweise Entlastung der Kassen vorsieht. So soll etwa die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen Zug um Zug geschehen und nicht auf einen Schlag.

Belastungen der Versicherten

Mit dem Konzept der Union kommen erhebliche Belastungen auf die Versicherten zu. Die Ausgliederung des Zahnersatzes schlägt nach Berechnungen der Union mit 3,5 bis vier Milliarden Euro zu Buche, die geplanten Selbstbeteiligung mit sieben bis acht Milliarden Euro. Bei den Selbstbeteiligungen soll es allerdings Ausnahmen für Kinder und Vorsorgeuntersuchungen geben. Außerdem ist vorgesehen, dass Kassenpatienten höchstens zwei Prozent ihres Bruttoeinkommens dafür ausgeben müssen. Das Selbstbehalt-Modell soll nach dem Willen der Union die von der Regierung geplanten Praxisgebühren für Fachärzte ersetzen und auch die vorgesehenen höheren Zuzahlungen für Medikamente überflüssig machen.

Kritik: Reine "Abkassiererei"

Der Sprecher des Bundessozialministeriums, Klaus Vater, kritisierte, Selbstbehalte seien reine "Abkassiererei" und zeigten keine Lenkungseffekte im Gesundheitswesen. Auch eine Privatsicherung des Zahnersatzes lehnte er ab. "Der Zahnersatz ist eine medizinisch notwendige Leistung", sagte er.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Rolle des Bundesrates

Die Regierung ist bei der Gesundheitsreform auf die Unterstützung der Union angewiesen, weil diese im Bundesrat die Mehrheit hat. Insbesondere die Teile zur Strukturreform des Gesundheitswesens sind in der Länderkammer zustimmungspflichtig. Widmann-Mauz bekräftigte, dass die Union das von der Regierung geplante Zentrum für Qualität in der Medizin ablehne. Das Institut soll unter anderem Standards für die Behandlung einzelner Krankheiten erarbeiten und Kosten-Nutzen-Analysen für Medikamente vornehmen.

Streit der Unionsparteien

Der Streit zwischen den Unions-Schwesterparteien über den Kurs in der Gesundheitspolitik war auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden Landtagswahl im September in Bayern geführt worden. Die CSU hatte deswegen vor allzu harten Einschnitten zurückgeschreckt und die Ausgliederung ganzer Leistungsblöcke aus dem Katalog der Kassen abgelehnt. Widmann-Mauz betonte, die von Seehofer geforderte Bürgerversicherung, in die auch Selbstständige und Beamte einzahlen sollen, sei nicht Teil des Unions-Konzeptes. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sprach von einer "Einzelmeinung" Seehofers. Die gemeinsame Linie der Union sollte am Montagnachmittag vom Vorstand der CDU/CSU-Fraktion gebilligt werden.