GIPFELTREFFEN Schröder und Chirac in trauter Eintracht

Bis zum entscheidenden EU-Gipfel im Dezember sollen alle Streitigkeiten beigelegt sein. Trotz Differenzen übten sich Chirac und Schröder bei ihrem Gipfeltreffen in Einigkeit.

Ohne konkrete Entscheidungen in kritischen Sachfragen der EU ist der 79. deutsch-französische Gipfel in Schwerin zu Ende gegangen. Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Staatspräsident zogen nach eintägigen Beratungen am Dienstag dennoch eine positive Bilanz, da die Weichen für »historische Entscheidungen« in den kommenden Monaten gestellt worden seien. Ein militärisches Eingreifen gegen Irak erwarten beide Seiten nach eigenem Bekunden vorerst nicht.

Die Regierungschefs vereibarten in Schwerin monatliche informelle Regierungskonsultationen sowie die Bildung von vier Arbeitsgruppen. Das erste Treffen der Regierungsspitzen und der Außenminister ist noch vor der Wahl Ende August oder Anfang September in Schröders Privathaus in Hannover geplant. Bislang fanden diese Treffen immer nur etwa alle sechs bis acht Wochen statt.

»Der Erweiterungsprozess kann nur gelingen, wenn wir uns abstimmen«

Schröder und Chirac betonten ihr gutes persönliches Verhältnis und den festen Willen, die EU-Erweiterung durch enge Abstimmung zum Erfolg zu bringen. Eine funktionierende deutsch-französische Beziehung sei dafür zentrale Voraussetzung, sagte Chirac. Es gebe kein geeintes Europa, wenn zwischen Frankreich und Deutschland keine Einigkeit bestehe. Schröder sagte: »Der Erweiterungsprozess kann nur gelingen, wenn wir uns abstimmen und dabei auch Differenzen konstruktiv überwinden.«

Bekenntnis zum Ausbau der Verteidigungspolitik

Deutschland und Frankreich bekannten sich in einer Erklärung zum Ausbau der europäischen Verteidigungspolitik und zum Militärtransporter Airbus A400M. Schröder versicherte dem neuen französischen Premier Jean-Pierre Raffarin nach französischen Angaben, die Bundesregierung halte an der Beschaffung von 73 Maschinen fest. Bislang ist nur die Finanzierung von 40 Flugzeugen gesichert. Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) und seine französische Kollegin Michèle Alliot-Marie unterzeichneten eine Absichtserklärung, die deutsche und französische Satellitenaufklärung zu verknüpfen. Die ersten der etwa zehn geplanten gemeinsamen Satelliten sollen Ende 2004 ins All starten.

Kompromiss im Agrarstreit angestrebt

Im Streit um die Finanzierung der EU-Agrarpolitik und ihrer Reform soll eine deutsch-französische Arbeitsgruppe bis zum Kopenhagen- Gipfel Kompromisse ausarbeiten. Schröder sagte: »Wir müssen in Kopenhagen mit einer gemeinsamen Position auftreten.« Auch im EU- Konvent sowie in der Industrie- und Rüstungspolitik sollten beide Länder künftig noch enger zusammen arbeiten als bisher. Schröder ist gegen die Fortsetzung der milliardenschweren Agrar- Subventionen in der bisherigen Form und verlangt Abstriche von Frankreich als größtem Nutznießer der EU-Beihilfen. Außerdem will Deutschland eine Reform der EU-Agrarpolitik bereits vor 2006, Frankreich ist aber dagegen. Chirac und Schröder betonten beide, dass der Zeitdruck für eine Einigung sehr groß sei.

Elysée-Freundschaftsvertrages wird bekräftigt

Eine weitere Gruppe befasst sich mit strittigen Themen zum EU- Reformkonvent. Eine dritte Gruppe soll sich mit der Verbesserung der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik befassen. Über die Besetzung dieser drei Gruppen ist nach deutschen Angaben noch nicht entschieden. Klar ist bislang nur die Besetzung einer vierten Arbeitsgruppe, die den 40. Jahrestag des Elysée-Freundschaftsvertrages am 22. Januar 2003 vorbereiten soll. Die Gruppe wird von den Außenministern beider Länder geleitet werden. Zum Jahrestag wurde ein deutsch-französischer Gipfel im Elysée-Palast, dem Sitz des französischen Präsidenten, in Paris vereinbart. Chirac stellte klar, dass er keine förmliche Veränderung des Vertrags wünsche, sondern nur eine feierliche politische Erklärung. Dies findet die Zustimmung Deutschlands.

Keine konkreten Angriffspläne gegen Irak

Zum Thema Irak unterstrichen beide Seiten, dass es konkrete Angriffspläne nicht gebe. Die entsprechenden Vorbereitungskonsultationen, die US-Präsident George W. Bush den Verbündeten mehrfach zugesichert habe, seien nicht angelaufen. Chirac sagte, Irak wäre gut beraten, die UN-Waffeninspektoren wieder ins Land zu lassen. Außerdem befürworteten beide Seiten eine Nahost-Friedenskonferenz.