GUTACHTEN »Zweifelhafte Praktiken«

Professor Hans Herbert von Arnim gehört zu den renommiertesten Kritikern der Parteienfinanzierung in Deutschland. In seinem Gutachten für den stern kommt er zu dem Ergebnis: Die CSU profitiert bei ihren Spendenabonnements von Regelungen, die verfassungswidrig sind und den Sinn des Gesetzes konterkarieren. Aus stern Nr. 3/2002.

Professor Hans Herbert von Arnim gehört zu den renommiertesten Kritikern der Parteienfinanzierung in Deutschland. Im nachfolgenden Beitrag für den stern kommt er zu dem Ergebnis: Die CSU profitiert bei ihren Spendenabonnements von Regelungen, die verfassungswidrig sind und den Sinn des Gesetzes konterkarieren. Der Beitrag behandelt nicht die formalrechtliche Zulässigkeit der CSU-Praxis, sondern den gesetzlichen Rahmen, der seinerseits der CSU-Praxis geradezu Vorschub leistete.

Von Hans Herbert von Arnim

Um die Verwurzelung der Parteien in der Bevölkerung zu stärken, wurde 1994 die Parteienfinanzierung neu geregelt. Die staatlichen Zuschüsse für die Parteien wurden auf ursprünglich 230 Millionen Mark, jetzt 245 Millionen Mark jährlich festgeschrieben. Und es wurde ein neues Anreizsystem geschaffen: Spenden oder Mitgliedsbeiträge werden seither vom Staat doppelt gefördert. Zum einen werden Spender mit einer Steuerrückerstattung belohnt, zum anderen bekommt die Partei einen Zuschuss aus der Staatskasse. Sinn dieser Regelung ist es, dass es die Parteien insgesamt finanziell deutlicher spüren, wenn die Unterstützung durch Wähler, Mitglieder oder Sympathisanten steigt oder zurückgeht.

So weit - so sinnvoll. Doch was geschieht tatsächlich? Um den Höchstbetrag von 245 Millionen Mark auf jeden Fall voll ausschöpfen zu können, haben die Schatzmeister der etablierten Parteien zu einem Trick gegriffen: Die Subventionszahlungen aus der Staatskasse für Spenden und Beiträge wurden enorm hoch angesetzt. Die Parteien erhalten eine Mark pro Jahr für jede Stimme, die sie bei Bundestags-, Landtags- und Europawahlen erlangt haben. Für die ersten fünf Millionen Stimmen bekommen sie jeweils 1,30 Mark. Für jede Beitrags- und Spendenmark (bis zur Obergrenze von 6000 Mark pro Jahr) gibt es einen Zuschuss von nominell 50 Pfennig pro Zuwendungsmark.

Zauberformel »Aus eins mach drei«

Die Folge: Die Kombination von hoher direkter Subventionierung und Steuerbegünstigung begründet in »ganz normalen Fällen« die Zauberformel »Aus eins mach drei«. Spendet jemand für »seine« Partei 1000 Mark, bekommt er die Hälfte vom Finanzamt erstattet. Er kann der Partei somit 2000 Mark zuwenden. Und darauf gibt der Staat der Partei dann noch einmal einen Zuschuss von (nominell) weiteren 1000 Mark. Mit einer Eigenbelastung von 1000 Mark macht der Spender die Partei also um 3000 Mark reicher.

Werden nun die sich daraus ergebenden Subventionsbeträge für alle Parteien zusammengerechnet, ergibt sich eine erstaunliche Situation: Die Parteien haben dann nämlich theoretisch Anrecht auf eine staatliche Förderung von weit mehr als 245 Millionen Mark, im Jahr 2000 beispielsweise 329 Millionen Mark. Weil der Betrag aber gedeckelt ist, müssen alle Beiträge in einem weiteren Rechengang proportional gekürzt werden, sodass sie in ihrer Summe stets genau die Obergrenze ausschöpfen.

Die von den Schatzmeistern ins Gesetz geschriebene Konstruktion hat Ähnlichkeit mit einem Unternehmenszweig, der vom Staat immer den gleichen Gesamtgewinn garantiert bekommt.

Zwar müssen die Parteien untereinander um möglichst hohe Anteile an der Staatsfinanzierung kämpfen; doch da das Gesamtvolumen von vornherein feststeht, wird dieser Kampf insgesamt zum Nullsummenspiel. Das bedeutet auch, dass Manipulationen, mittels derer bestimmte Parteien sich zusätzliche Staatszuschüsse verschaffen, notwendigerweise auf Kosten der anderen Parteien gehen und damit auch den Grundsatz der Chancengleichheit beeinträchtigen können.

Ein geringerer Erfolg der Parteien bei ihren Bemühungen um Bürgernähe führt also nicht zu einer Verringerung des Staatszuschusses. Die Parteien immunisieren sich auf diese Weise gegen Faktoren, denen sie nach dem Sinn des verfassungsgerichtlichen Urteils von 1992 im Interesse ihrer Bürgernähe gezielt ausgesetzt werden sollten. Selbst wenn die Wahlbeteiligung auf 30 Prozent zurückginge, könnten die Parteien immer noch die Höchstsubvention kassieren.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Damit wird deutlich: Die zu hohe staatliche Bezuschussung von Spenden und anderen Zuwendungen in Höhe von nominell 50 Prozent ist mit dem Sinn der Neuregelung des Parteiengesetzes von 1994 nicht vereinbar.

»Weizsäcker-Kommission« hat gangbaren Weg aufgezeigt

Dabei hat die 1992 eingesetzte Parteienfinanzierungskommission (Weizsäcker-Kommission) einen gangbaren Weg aufgezeigt. Danach würden die Parteien im Falle von Spenden-Abonnements auf jede Spende »nur« 20 Prozent Staatszuwendung erhalten. Der »Zauberformel« wäre damit viel von ihrer Wirkung genommen worden. Dann wäre es auch nicht mehr möglich, 50 Prozent der Spenden an Provisionen für Abo-Werber zu zahlen und diese (zumindest nominell) aus dem Staatszuschuss zu finanzieren. Praktiken wie den Abo-Arrangements der CSU wäre die finanzielle Basis weitgehend entzogen.

Bei der Einwerbung von Spenden-Abos hat die CSU also von Regelungen profitiert, die eindeutig dem Sinn der Reform von 1994 widersprechen. Die Regelungen sind sogar verfassungswidrig, wenn es um die Frage geht, bis zu welchem Zuwendungsbetrag die staatliche Subventionierung erfolgen darf.

Derzeit gilt: Spenden (und Beiträge) bis zu 6000 Mark jährlich lösen bei der empfangenden Partei staatliche Subventionen in Höhe von nominell 50 Prozent der Spende aus. Zugleich ist die Spende beim Spender bis zu diesem Betrag steuerbegünstigt - was regelmäßig auf einen Fördersatz von mindestens ebenfalls 50 Prozent hinausläuft. Bei Verheirateten erhöht sich der steuerbegünstigte Gesamtbetrag auf 12 000 Mark.

Regelung verfassungswidrig

Diese Regelung ist verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Grundsatzurteil von 1992 die steuerliche Begünstigung von Spenden mit guten Gründen nur so weit zugelassen, als sie auch Bezieher von Durchschnittseinkommen ausschöpfen können. Deshalb hat die Weizsäcker-Kommission empfohlen, höchstens Zuwendungen von 2000 Mark (Verheiratete: 4000 Mark) im Jahr steuerlich zu begünstigen. »Eine weitergehende Anhebung« sah die Kommission »auf der Grundlage des Verfassungsgerichtsurteils als nicht mehr zulässig an«.

Die Schatzmeister aber, die dem Gesetzgeber die Hand führten, verdreifachten den Betrag, obwohl klar ist, dass ein verheirateter Durchschnittsverdiener keine 12 000 Mark jährlich spenden kann.

Für das Abo-Arrangement der CSU bedeutet dies: Wenn ein Spender Abonnements von CSU-Publikationen im Wert von 6000 Mark spendete (was nach Informationen des stern häufig vorkam) und dafür die Partei einen direkten Staatszuschuss und der Spender eine Spendenvergünstigung in Anspruch nahm (beide wohlgemerkt für den ganzen Betrag in Höhe von 6000 Mark), profitierten die CSU und der Spender in Höhe des 2000 Mark überschreitenden Betrages

von verfassungswidrigen Regelungen.

Missstände werden auf absehbare Zeit bleiben

An diesen Missständen wird sich, so ist zu befürchten, auf absehbare Zeit nichts ändern. Die hochproblematischen, teils sogar verfassungswidrigen Regelungen des Parteiengesetzes, die den Praktiken der CSU Vorschub leisteten, sollen auch nach den Ende 2001 vorgelegten Gesetzentwürfen zur Änderung des Parteiengesetzes nicht geändert werden. Dies gilt sowohl für den Gesetzentwurf, den die CDU/CSU-Fraktion vorgelegt hat, also auch für den Vorschlag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. In diesem Entwurf ist zwar eine Änderung der Relationen vorgesehen: Es soll nur noch 0,38 Euro pro eingeworbenem Spenden-Euro geben, dafür für jede Wählerstimme einen höheren Betrag von 0,70 Euro. Doch die sich daraus ergebenden Gesamtbeträge überschreiten die (in diesem Gesetzentwurf noch erhöhte) absolute Obergrenze gewaltig.

Ein Rückgang der Wahlbeteiligung oder ein Schrumpfen der Spenden- und Mitgliedsbeiträge bliebe auch hier insgesamt ohne Auswirkung. Nach beiden Entwürfen sollen auch die überzogenen Begünstigungsbeiträge erhalten bleiben: Die Regierungskoalition will den Betrag sogar von 6000 Mark auf 3300 Euro anheben.

Zur Person: »Die Einmann-Instanz«

Hans Herbert von Arnim, geboren 1939, ist Professor an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Sein Thema sind Grundfragen von Staat und Gesellschaft, was direkte Einmischung in die Politik aber nicht ausschließt. Der Wissenschaftler ist einer der renommiertesten Kenner und Kritiker der Parteienfinanzierung. »Die Einmann-Instanz« von Arnim (»Die Zeit«) hat Dutzende Gesetze gekippt. Viele seiner Bücher wurden Bestseller. Zuletzt erschienen: »Vom schönen Schein der Demokratie«, »Politik Macht Geld« und »Das System - Die Machenschaften der Macht«.