Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kündigte am Freitag in Berlin einen rigorosen Sparkurs an, um eine Mehrwertsteueranhebung möglichst doch noch zu vermeiden. Hartes Sparen bringe deutliche Einschnitte. „Für den Bürger ist es ziemlich egal, ob er weniger bekommt oder mehr zahlt. Er hat weniger persönlich verfügbar.“ Koch ist in den Gesprächen mit der SPD über die Sanierung der Staatsfinanzen Verhandlungsführer der Union.
Mehrsteuererhöhung von 20 Prozent möglich
Der designierte SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck erklärte: "Schwierige Zeiten gebären schwierige Entscheidungen." Er hält eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 20 Prozent für möglich. "Ich kann im Moment nichts ausschließen", sagte Platzeck dem Fernsehsender N24. Koch unterstrich: "Wir haben uns auf keinerlei Erhöhungen festgelegt. Wir arbeiten an Einsparungen." Betroffen seien die öffentliche Verwaltung, Subventionen und Steuervergünstigungen. "Erst dann reden wir über den anderen Teil."
Die designierte Bundeskanzlerin Angela Merkel will einem Bericht der "Wirtschaftswoche" zufolge den Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent senken. Das Magazin berichtete vorab unter Berufung auf Vertraute der CDU-Chefin, im Gegenzug solle die steuerliche Ermäßigung nicht mehr für Presseartikel, Blumen und Tierfutter gelten. Unter dem Strich würde der Fiskus dadurch Mehreinnahmen von 3,5 Milliarden Euro erzielen. Ein CDU-Sprecher sagte, Entscheidungen fielen erst nächste Woche, weshalb er sich nicht dazu äußern wolle.
Auch Plus bei Steuereinnahmen kann Haushaltsloch nicht stopfen
Die Steuerschätzung brachte erstmals seit fünf Jahren wieder ein Milliardenplus. Bund, Länder und Kommunen können 2005 und 2006 mit insgesamt 3,8 Milliarden Euro mehr rechnen als im Mai vorhergesagt.
Der Geldbedarf im Bundeshaushalt ist nach Angaben Kochs nicht so groß wie zuletzt angenommen. Er bezifferte ihn auf 43 Milliarden Euro. Zuvor hatten Kreise von Union und SPD einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bestätigt, wonach es um 70 Milliarden gehe, falls alle Ausgabenwünsche der Fachpolitiker beider Seiten erfüllt würden und die Neuverschuldung nicht höher als rund 20 Milliarden Euro ausfallen solle.
"Die Zahlen, die sie jetzt hören, sind die Addition von Sachen, die man gerne machen möchte, wenn man Geld hätte", sagte Koch dazu. Richtig sei aber, dass man sich an einem Konsolidierungsbedarf von 35 Milliarden Euro plus acht Milliarden Euro für wachstumsfördernde Maßnahmen orientiere. Aussagen von NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU), bislang seien nur fünf Milliarden Euro an Einsparungen verabredet worden, nannte er falsch.
Die Koalitionsarbeitsgruppe Finanzen einigte sich weiterhin nicht auf ein Gesamtpaket, wie rund 43 Milliarden Euro bis 2007 gespart werden sollen. SPD-Finanzexperten Joachim Poß kündigte weitere Verhandlungen in der nächsten Woche an. Allerdings zeichnete sich ab, dass die Entscheidungen erst auf höchster politischer Ebene getroffen werden. Laut Koch verhängten die Finanzpolitiker einen Finanzierungsvorbehalt über die Forderungen der anderen Arbeitsgruppen. „Die meisten von denen, die was haben wollen, werden nichts bekommen“, sagte er.

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Auch EU kündigt Maßnahmen gegen Deutschland an
EU-Währungskommissar Joaquin Almunia kündigte für Dezember Vorschläge zur Verschärfung des Defizitverfahrens gegen Deutschland an. Er äußerte sich nicht dazu, bis wann die Bundesrepublik ihre Neuverschuldung wieder unter 3,0 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) senken solle. Union und SPD streben dies für 2007 an. Nach Sparzusagen Deutschlands hatte Brüssel das Verfahren auf Eis gelegt.
Die Bundesbank sprach sich gegen eine isolierte Erhöhung der Mehrwertsteuer aus. Vizepräsident Jürgen Stark sagte am Freitag Reuters, dies schwäche die Konjunktur. Eine Anhebung der Steuer könne allenfalls mit einer Senkung direkter Steuern einhergehen. Stark warnte zudem, auf den Bund kämen bei steigenden Zinsen im Euro-Raum neue Belastungen zu.