Bundeskanzler Gerhard Schröder lehnt zusätzliche Steuersenkungen für Bürger und Mittelständler weiterhin ab. Als Falschmeldungen bezeichnete er übereinstimmende Berichte von "Spiegel" und "Focus", wonach Finanzminister Hans Eichel erwäge, die zwei ausstehenden Entlastungsstufen der Steuerreform Anfang 2004 auf einen Schlag in Kraft zu setzen. Eichels Sprecher Jörg Müller sagte heute: "Entsprechende Planungen gibt es nicht."
Eichel erhoffe sich von der Maßnahme Impulse für Konjunktur und Konsum, schrieben die Nachrichtenmagazine. Die zweite Stufe wirkt ab 2004 und bringt nach Expertenangaben eine Entlastung von sieben Milliarden Euro; der letzte Schritt kostet den Staat 2005 etwa 18 Milliarden Euro. Davon profitiert auch die große Mehrheit mittelständischer Unternehmer, weil sie einkommensteuerpflichtig sind.
Schröder ruiniert Eichels Ruf als seriösen Kassenwart
Nach Informationen von "Spiegel Online" droht Eichel nach Einschätzung in der SPD-Bundestagsfraktion "eine völlige Demontage". Die Stimmung im Kabinett sei miserabel, wurde ein nicht genanntes SPD-Mitglied des Haushaltsausschusses zitiert. "Die arbeiten nicht mehr zusammen." Schröder habe das Interesse am Sparkurs und den Euro-Stabilitätskriterien verloren und ruiniere Eichels Ruf als seriöser Kassenwart "endgültig".
Die Chefgespräche über den Etat 2004 liefen auf Eichels Rücktritt hinaus, erklärte ein SPD-Fraktionsmitglied laut "Spiegel Online". Als Nachfolger seien Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsminister Peter Struck im Gespräch, der wiederum von SPD-Generalsekretär Olaf Scholz abgelöst werden könnte.
Euro-Kriterien in Gefahr
Auch der "Spiegel"-Bericht, wonach Eichel einen Vorschlag zur Senkung der Lohnnebenkosten erarbeitet habe, der zu Lasten der Rentner gehe, sei eine "Vermutung", sagte Müller. Zudem sehe Eichel derzeit nicht einmal ansatzweise Deflationsgefahr. Laut "Spiegel" ließ Eichel ein Strategiepapier zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur entwickeln. Darin würden höhere Krankenkassenbeiträge für Rentner vorgeschlagen. Die Finanzpolitik müsse einen Beitrag leisten, "das durchaus vorhandene Risikopotenzial" einer Deflation zu reduzieren.
Nach "Focus"-Informationen ist sich Eichel mit Schröder einig, dass Deutschland neben Strukturreformen und Einsparungen auch zusätzliche Konjunkturimpulse brauche. Sonst sei das angestrebte Wirtschaftswachstum von zwei Prozent im kommenden Jahr nicht zu erreichen. Laut "Focus" muss bei einem früheren Zünden der letzten Steuerreformstufe auch 2004 damit gerechnet werden, dass das Staatsdefizit über den im Maastricht-Vertrag erlaubten drei Prozent liege.

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Konkrete Ausgestaltung des Etats völlig unklar
Schröder sagte, wenn das Wachstum unter zwei Prozent liege, sei eine höhere Neuverschuldung unvermeidbar. Der Haushalt 2004 müsse von einer "sehr, sehr sorgfältigen Balance" zwischen Sparen, den Euro-Kriterien und den konjunkturellen Notwendigkeiten geprägt sein.
Drei Wochen vor der geplanten Verabschiedung im Kabinett ist die konkrete Ausgestaltung des Etats völlig unklar. Es seien "noch keinerlei Entscheidungen, nicht einmal Vorentscheidungen" getroffen worden, erklärte Eichels Sprecher.