Frau Aigner, was ist denn Ihr Lieblingsgetränk?
Das hängt von der Tageszeit ab. Wenn es um gemütliches Beisammensein am Abend geht, trinke ich am liebsten Weißwein.
Wir hätten von Ihnen in diesen Tagen eigentlich die politisch korrekte Antwort "Milch" erwartet.
Milch trinke ich natürlich auch sehr gerne.
Da werden sich die Milchbauern aber freuen. Einige waren ja mittlerweile so verzweifelt, dass sie vor dem Kanzleramt zum Mittel des Hungerstreiks gegriffen haben. Geht Ihnen das nahe?
Sicher. Mir geht es immer nahe, wenn Menschen sehr verzweifelt sind. Und viele Bäuerinnen waren und sind natürlich in einer sehr schweren Situation.
Wie groß ist der Druck, der damit auf Sie ausgeübt wird?
Der ist schon hoch, keine Frage. Ich stamme ja zudem aus einer Gegend, in der ich pausenlos mit Landwirten zusammenkomme. Wenn man den verzweifelten Menschen, die um ihre Existenz bangen, in die Augen schaut, dann geht das nicht spurlos an einem vorbei.
Und was sagen Sie den Bauern und Bäuerinnen?
Ich versuche, zu helfen, wo ich helfen kann. Nur am Preis kann ich halt nichts machen.

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Als Verbraucherschutzministerin müssten Sie sich darüber freuen, dass Milch inzwischen billiger ist als Mineralwasser.
Nein, Milch sollte nicht zur Leitwährung für Billigprodukte werden. Diejenigen, die Milch herstellen, müssen auch davon leben können. Butter ist zum Beispiel auf dem Niveau von 1950 - da ist etwas aus dem Lot geraten.
Was wäre denn ein fairer Preis für einen Liter Milch?
Den Preis legt ja nicht die Politik fest. Aber einige Betriebe sind bereits bei 18 Cent pro Liter angekommen. Das ist bitter. Aber auch 23, 24 Cent reichen nicht, um die laufenden Kosten zu bestreiten.
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Tragen Sie und Ihre EU-Kollegen nicht auch Mitschuld an der Entwicklung? Sie haben doch die Öffnung der Milchquote, also die Steigerung der erlaubten Milchmenge, mitgetragen.
Wir haben immer klargemacht, dass eine Quotenerhöhung nur bei richtiger Marktlage umgesetzt werden kann. Im Übrigen ist nicht allein die Erhöhung schuld am Preisverfall. Schon in diesem Jahr haben die deutschen Milchbauern nur etwa 98 Prozent der erlaubten Milchmenge produziert und trotzdem ist der Preis abgestürzt. Die Nachfrage ist einfach zu gering.
Was wollen Sie gegen die Not auf den Höfen tun?
Die Landwirte bekommen jetzt ihre Direktzahlungen aus Brüssel früher, außerdem wollen wir ihnen mit zinslosen Krediten weiterhelfen. Auch die Steuer auf Agrardiesel haben wir gesenkt. Außerdem habe ich in Brüssel ein Milchbegleitprogramm durchgesetzt.
Trotzdem werden nicht alle Bauern die Krise überstehen.
Das ist nicht gesagt. Der Preis wird sich hoffentlich bald wieder erholen. Langfristig hat die Landwirtschaft sehr gute Prognosen, weil wir mit einer steigenden Weltbevölkerung rechnen, die wir ja ernähren müssen.
Und bis es soweit ist, soll die EU durch Exportsubventionen mithelfen, überschüssige Milchprodukte zu Dumpingpreisen auf den Weltmärkten zu verschleudern?
Das ist eine Pauschalisierung, die ich so nicht gelten lassen kann. Die EU-Kommission hat die Exporterstattungen für Milch vor dem Hintergrund der derzeit sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation am EU-Milchmarkt im Januar 2009 wiedereingeführt. Wir haben dabei immer wieder darauf hingewiesen, dass keine Erstattungen bei der Ausfuhr von Milchprodukten in besonders sensible, wenig entwickelte Länder gewährt werden...
...eine Unterteilung, an deren Wirksamkeit viele Entwicklungshilfeorganisationen nicht glauben mögen. Misereor, Oxfam und sogar das Entwicklungshilfeministerium lehnen die Absatzförderung immer noch ab...
...im Übrigen sind viele Entwicklungsländer auch aus klimatischen Gründen auf die Einfuhr von Milchprodukten angewiesen und sind daher an niedrigen Verbraucherpreisen interessiert. Zudem lässt sich feststellen, dass sich der Weltmarktpreis für Milchprodukte nach Wiedereinführung von Erstattungen im Milchbereich sogar erhöht hat. Von einem Preisdumping auf dem Weltmarkt kann also keine Rede sein.
In der allgemeinen Krise wird doch derzeit für jede Berufsgruppe Geld mit vollen Händen ausgegeben - ist das nicht auch eine Chance für die Bauern?
Was heißt Chance? Die haben auch ganz andere Schwierigkeiten. Man kann eine Kuh nicht einfach abstellen wie eine Maschine. Deswegen versuchen wir, den Bauern dabei zu helfen, die schlechte Zeit zu überbrücken. Ich möchte mal darauf hinweisen, dass es um 100.000 Milchbetriebe geht.
Da sind die 25.000 Opel-Arbeiter ja eine bescheidene Zahl...
...Es ist jedenfalls schon eine Größenordnung, über die man sich Gedanken machen sollte - auch wenn die Neigung bei unserem Koalitionspartner SPD in dieser Hinsicht eher zurückhaltend ist. Eine eigenständige Landwirtschaft ist von heute auf morgen nicht wieder aufzubauen. Wenn so ein Bauer erstmal die Tür zugesperrt hat, ist die Frage, ob der wiederkommt.
Sagen Sie es ruhig: Die Bauern sind "systemrelevant"?
Auf alle Fälle ist wichtig, dass wir Landwirtschaft flächendeckend betreiben. Ich möchte dieses Land ungern abhängig machen von Importen im Lebensmittelbereich.
Aber welche Rolle können denn in Zeiten der industriellen Landwirtschaft noch beispielsweise die vielen Kleinbauern im Allgäu spielen?
Im Allgäu werden sie eher stärker auf Regionalvermarktung und auf unterschiedliche Qualität setzen müssen - von Bioproduktion bis zum geschlossenen Kreislauf. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten, einen neuen Markt aufzumachen. Auf dem Biomarkt haben wir zu wenige Produkte. Da müssen wir sogar importieren.