"Angst vor Nachbarn und Zustellern" Jüdische Gemeinde in München will "Jüdische Allgemeine" nur noch in neutralem Umschlag erhalten

Soll in München nur noch im neutralen Umschlag ausgeliefert werden: die "Jüdische Allgemeine"
Soll in München nur noch im neutralen Umschlag ausgeliefert werden: die "Jüdische Allgemeine"
© Jens Kalaene / Picture Alliance
Die jüdische Gemeinde in München hat die Wochenzeitung "Jüdische Allgemeine" gebeten, ihre Abo-Exemplare nur noch in einem neutralen Umschlag an ihre Mitglieder auszuliefern. So berichtet es der Chefredakteur der Zeitung.

Seit dem barbarischen Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober rollt in Deutschland wie weltweit eine Welle des Antisemitismus. Aus Angst vor Beschimpfungen und Angriffen fürchten viele deutsche Juden, sich öffentlich zu erkennen zu geben. Aus diesem Grund hat die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) in München, die größte jüdische Gemeinde in Deutschland, die Wochenzeitung "Jüdische Allgemeine" darum gebeten, die Abo-Exemplare für ihre Mitglieder nur noch in neutralen Umschlägen auszuliefern. Das berichtet der Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen", Philipp Peyman Engel, auf X.

"Anruf von Deutschlands größter Jüdischen Gemeinde, der IKG München: Bitte die Jüdische Allgemeine den Mitgliedern nur noch in neutralem Umschlag zusenden. Nachbarn und Zusteller sollen nicht wissen, dass es sich um Juden handelt. Aus Sicherheitsgründen", schreibt Peymann Engel.

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Die IKG München hat dem stern die Meldung bestätigt. Demnach seien "mehrere Mitglieder mit dem Wunsch an uns herangetreten", heißt es in der Stellungnahme. "Besonders durch die aktuelle, sehr aufgeheizte Stimmung" habe sich die "Sicherheitslage für viele jüdische Menschen in Deutschland verschärft". Mit der Maßnahme wolle man dieser Entwicklung "an einer kleinen, aber bedeutsamen Stelle im häuslichen Umfeld entgegentreten". 

IKG: Kampf gegen Judenhass braucht mehr als große Worte

Die IKG weist ausdrücklich daraufhin, dass das keine Dauerlösung sei. Eine "bedrohte Minderheit" dürfe auf Dauer nicht "unsichtbar" sein. Der "Kampf gegen Judenhass" brauche mehr als "große Worte" aus Politik und Gesellschaft. Gleichzeitig beklagt der IKG München: "Viele jüdische Menschen hören Versprechungen – aber es ändert sich nichts zum Besseren."

Die jüngsten Zahlen bestätigen den wachsenden Antisemitismus. Im dritten Quartal 2023 wurden bislang 540 antisemitisch motivierte Straftaten polizeilich erfasst und damit deutlich mehr als in früheren Quartalen, wie aus einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorging, über die die "Rheinische Post" jüngst berichtet hatte. Dabei sei die Zeit nach dem Terrorangriff am 7. Oktober noch gar nicht erfasst. Im ersten Quartal 2023 lag die Zahl dem Bericht nach bei 379, im zweiten Quartal bei 446. Im Vorjahresquartal waren es 306 antisemitische Straftaten. Dabei handelt es sich der Zeitung zufolge jeweils um vom Bundeskriminalamt vorläufig erfasste Zahlen ohne Nachmeldungen.

Quellen: "Rheinische Post", "X"