Kamp-Lintfort Rund 30 Rechte demonstrieren gegen Bürgermeister - und Hunderte stellen sich ihnen entgegen

Mehrere Hundert Menschen demonstrieren für Bürgermeister Landscheidt
Mehrere Hundert Menschen demonstrierten in Kamp-Lintfort für Bürgermeister Landscheidt
© Arnulf Stoffel/ / Picture Alliance
Sein Wunsch nach Bewaffnung sorgte für Aufsehen. Der Bürgermeister von Kamp-Lintfort in NRW fühle sich durch Rechtsextreme bedroht, erklärte er. Am Samstag marschierten Anhänger der Szene durch die Stadt – doch eine Vielzahl stellte sich ihnen entgegen.

"Volksgericht statt Waffenschein! Die Rechte", stand auf einem der Plakate, mit denen die Anhänger der rechten Szene am Samstag in Kamp-Lintfort aufmarschiert sind. Die Kleinpartei "Die Rechte" hatte zuvor zu einer Demonstration gegen den Bürgermeister Christoph Landscheidt (SPD) aufgerufen. Der hatte sich vor Bedrohungen aus rechtsextremen Kreisen nicht mehr sicher gefühlt und einen Antrag gestellt, im Job eine Schusswaffe tragen zu dürfen.

Vor Ort trafen sie auf zahlreiche Gegendemonstranten. Laut Polizei des Kreises Wesel, die mit einem Großaufgebot vor Ort waren, waren etwa 700 Menschen zu der Gegenkundgebung gekommen, an der Demonstration der Rechten hätten etwa 30 Personen teilgenommen. Zwischenfälle habe es nicht gegeben, heißt es. 

Aufgerufen zu der Demonstration hatten Parteien, Kirchen und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Das ZDF-Landesstudio NRW twitterte ein Foto, auf dem eine riesige Menschenmenge zu sehen war. "Die Gegenveranstaltung in Kamp-Lintfort gegen "Die Rechte", ein breites überparteiliches Bündnis inkl. Kirche und Gewerkschaften; ca. 3000 Teilnehmer", hieß es dazu. 

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Bürgermeister klagt auf Erteilung von Waffenschein

Der Bürgermeister selbst war nicht anwesend. Die Polizei habe davon aus Sicherheitsgründen abgeraten, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete René Schneider. Über das Portal der Stadt ließ er am Vortag eine Erklärung übermitteln, worin er klarstellte, dass er nicht beabsichtige "in Zukunft in Texas-Manier bewaffnet durch die Straßen zu ziehen. Fakt ist, dass ich seit dem Europa-Wahlkampf im Mai des Jahres, bei dem ich volksverhetzende Plakate habe abhängen lassen, massiv aus der rechten Szene bedroht werde." Er habe "größtes Vertrauen in die Polizei und respektiere selbstverständlich das Gewaltmonopol des Staates", jedoch habe es konkrete Situationen in seinem "privaten und beruflichen Umfeld gegeben, in denen polizeiliche Hilfe nicht rechtzeig erreichbar gewesen wäre und auch in Zukunft nicht erreichbar sein würde." 

Landscheidt klagt vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht auf Erteilung eines großen Waffenscheins, nachdem ihm dieser von der zuständigen Behörde verweigert worden war.

Antrag auf Waffenschein löst Sicherheits-Debatte 

Der Antrag von Landscheidt hat eine erneute Debatte insbesondere über die Sicherheit von Kommunalpolitikern ausgelöst. Der Deutsche Städtetag erklärte seine Solidarität mit Landscheidt. Eine Bewaffnung von Kommunalpolitikern hält Städtetagspräsident Burkhard Jung jedoch für den falschen Weg. "Als Politiker einen Waffenschein zu beantragen, um sich in besonderen Fällen schützen zu können, halte ich für kein geeignetes Mittel", sagte er am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Der Antrag des Bürgermeisters aus Nordrhein-Westfalen zeige aber, wie stark sich Menschen in der Kommunalpolitik zum Teil bereits bedroht fühlten. 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Gesellschaft müsse Hass, Hetze und Gewalt entschlossen entgegentreten und die Betroffenen unterstützen, erklärte Jung, der selbst Oberbürgermeister von Leipzig ist. "Politischer Streit, auch hart in der Sache, ist in der Demokratie notwendig", betonte der SPD-Politiker. Der Umgang müsse dabei aber immer respektvoll bleiben. Angst vor Übergriffen - auch auf ihre Familien - dürfe das Engagement von Menschen, die sich für ihre Kommunen einsetzten, nicht zerstören.

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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der "Rheinischen Post", die Bundesregierung habe "die zunehmende Bedrohung von Kommunalpolitiker sowohl im digitalen Raum als auch in der realen Welt im Blick". Er verwies auf ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität. "Im Zuge der Umsetzung des Pakets arbeitet die Bundesregierung unter anderem an Änderungen des Strafrechts für einen verbesserten Schutz von Kommunalpolitikern", sagte Seehofer. 

Wegen rechtsextremer Übergriffe war Ende Dezember der Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Estorf bei Nienburg, Arnd Focke (SPD), von seinem Amt zurückgetreten.

jek / mit DPA

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